Klavierspielen ist ein schönes und entspannendes Hobby. Aber im Stillen träumt man doch manchmal davon, ein paar seiner Lieblingsstücke auf einem richtig gut klingenden Flügel zu spielen.
Für einen Konzertpianisten hat es in der Jugend nicht gereicht, damit besteht auch keine Chance, sich öfters einmal auf einem Steinway oder anderen renommierten Instrument "austoben" zu können. Und so erfüllte jahrzehntelang das gute alte Klavier im Wohnzimmer seinen Zweck. Bis der Tag kam, als die Maler im Haus waren, und alle Möbel raus mussten. Ein paar Schränke fanden dabei eine neue Heimat, mit der Folge, dass ein Eck von 3x3m leer blieb.
Na, wenn nicht jetzt, wann wird es dann die Chance geben, das Klavier gegen einen Flügel auszutauschen? Also auf geht's, nur wohin?
Ersetzt das Internet den Fachhandel? Meine Erfahrung sagt: Es ist eher umgekehrt. Der Fachhandel kann enorm vom Internet profitieren, wenn er mit der richtigen Strategie sein Know-how auf den richtigen Plattformen präsentiert. Einen schnellen Überblick über Marktpreise von neuen und gebrauchten Produkten bietet immer noch ebay, also warum nicht zuerst sich im Internet einen Überblick verschaffen, wonach man eigentlich sucht.
Knapp 300 Angebote - die meisten jedoch davon von Händlern mit "Sofort-Kaufen" Preis. Nun ja, zumindest mancher Händler hat erkannt, dass er mit solchen Auktionen das Interesse von potentiellen Käufern auf sich ziehen kann, nur: Der nächstgelegene kommerzielle Anbieter war über 200km entfernt.
Eine Auktion fiel jedoch ins Auge: Ein gut 15 Jahre alter Seiler Flügel 178 für 12.000 Euro von privat, angeblicher Neupreis über 30.000 Euro, der Standort noch nicht einmal 80 km von Nürnberg (da wohnen wir) entfernt. Also angerufen und Termin vereinbart.
Nun, es war wohl in der Tat ein Privatverkauf, jedoch stand der Flügel in einem mit Marmorböden dekoriertem Raum neben ca. 30 anderen Instrumenten, und das auf einem Gelände mit einer etwas älteren, kleinen Fabrikhalle. Begrüßt wurden wir vom Eigentümer des Flügels und einem Händler, dem offensichtlich die Räumlichkeiten gehörten. Das Instrument glänzte wie neu, nur wie klingt er?
Der "Wow Effekt" stellte sich nicht ein. Der Klang meines Erachtens zu brillant, in den Mitten unausgewogen, und generell sehr laut. Eine Passage mit einem gefühlvollen Pianissimo - ich hatte keine Chance, das klanglich wirken zu lassen. Als Vergleichsinstrument konnte ich (soweit ich mich korrekt erinnere) einen Yamaha GC-2 anspielen, was mich in meinen Erwartungen eher noch weiter enttäuschte.
Der Händler argumentierte, dass er als "neutrale Instanz" mir die Sicherheit geben kann, ein technisch einwandfreies Instrument zu erwerben, mit entsprechender "Garantie". Die Frage nach dem "Warum wollen Sie den Flügel verkaufen" an den Eigentümer wurde so beantwortet: "Ich will wir meinen Traum von einem Steinway erfüllen, denn das ist der einzig wahre Flügel".
Ein Steinway also. Mit dem Händler unterhielt ich mich noch kurz über die generelle Marktsituation für Klaviere und Flügel, und lernte, dass das Restaurieren von alten Instrumenten mit anschließendem Weiterverkauf "wie neu" eine eigenständige Branche ist, die den Gebrauchtmarkt von höherwertigen Instrumenten dominiert. Wir beendeten den Termin und ich erbat mir 2 Wochen Zeit, um eine Entscheidung zu treffen.
Nur wie kann ich als einfacher Klavierspieler das Angebot bewerten? Durch Vergleich mit anderen Instrumenten - und durch das Hinzuziehen eines wirklich neutralen Fachmanns, das war unsere Antwort auf diese Frage.
Glücklicherweise habe ich mit meinem Klavierstimmer einen vom Handel unabhängigen und somit tatsächlich "neutralen" Ansprechpartner, dem ich auf diesem Weg nochmals nachdrücklich für seine äußerst hilfreichen Ratschläge und Unterstützung danken möchte! Für den Vergleich mit anderen Instrumenten bot es sich an, einen nahe gelegenen Steinway Händler aufzusuchen. Auch hier wurde ich äußerst zuvorkommend begrüßt und durfte sofort alle Instrumente im Verkaufsraum anspielen. Sitze ich jetzt also gleich vor dem "Traumflügel"?
Vorhanden war ein Flügel der A-Serie, neben Instrumenten der mir bis dato noch unbekannten Marken Boston und Essex. Letztere überzeugten mich klanglich nicht, aber auch beim A-Flügel kam nicht wirklich das "Konzertsaal feeling" auf.
Fazit: Der Seiler wird's nicht, das war mittlerweile klar. Aber wenn mich schon ein Steinway A nicht vom Hocker reißt, wie soll das dann weitergehen? Sind meine Ansprüche zu hoch?
Im Austausch mit meinem Klavierstimmer bekam ich den Hinweis, mich intensiver mit dem Thema der restaurierten Flügel auseinanderzusetzen, insbesondere Bösendorfer. Er berichtete mir von dem Trend, dass zunehmend Instrumente in den uns nahen Billiglohnländern im Osten restauriert werden.
Gesagt getan, die Reise führte uns alsbald 100km östlich von Prag, wo mich ein komplett restaurierter Bösendorfer 170 zu einem äußerst attraktiven Preis erwartete. Hämmer, Saiten und Stimmwirbel alle neu, Resonanzboden fachmännisch restauriert, das versprach die Beschreibung im Internet. Optisch glänzte das Instrument tatsächlich wie neu, kein Makel erkennbar.
Klanglich aber war auch hier das Erlebnis eher mau, zudem kam mir der Flügel leicht verstimmt vor, obwohl er angeblich erst vor zwei Tagen gestimmt wurde. Damit war auch dieses Instrument aus dem Rennen. Witzigerweise fand ich heraus, dass nach meinem Besuch zusätzlich noch der Stimmstock erneuert wurde, was meine Skepsis an der Arbeitsweise der Restaurateure zusätzlich erhöhte.
Aber wie klingt denn eigentlich ein neuer Bösendorfer? Was ist mit den japanischen Flügeln, von denen Fachhändler sagen, dass sie qualitativ hochwertig einzuschätzen sind? Yamaha Flügel hatte ich bei Konzerten als eher hart klingend in Erinnerung, aber was bietet denn Kawai, insbesondere deren Top Serie Shigeru? Um das herauszufinden, führte die Reise nach München.
Dort waren die wesentlichen Instrumente vorhanden: Ein Bösendorfer 200, weiterhin Instrumente von Schimmel sowie der RX Serie von Kawai in der Kurzform (RX-2), als auch 2 Shigeru's, ein Shigeru SK-3 (180cm Länge) und ein Shigeru Sk-5 (197cm Länge). Auch wenn es im Verkaufsraum sehr unruhig war, weitergeholfen hat mir der Kurzbesuch sehr wohl mit folgenden Erkenntnissen:
Da ich nun öfters Instrumente der "Top Klasse" spielen durfte, geriet auch Steinway mit dem B Flügel wieder in den Fokus. Ein Kurzbesuch in Frankfurt führte uns zu einem weiteren Händler, und siehe da, gleich zwei Flügel der B Serie waren frisch präpariert für ein am selben Abend stattfindendes Konzert.
Einer davon war auf bei meiner bisherigen Suche das am besten klingende Instrument. Nur ist das über 79.000 Euro Wert? Ein weiteres Phänomen: Die beiden B-Flügel hatten vom Klang eine deutlich unterschiedliche Charakteristik, eigentlich überzeugte mich nur eines der Instrumente zu 100%. So verließ ich den Laden immerhin mit der Gewissheit, endlich eine Referenz gefunden zu haben. Nur wo kann ich all die anderen Flügel der Länge 200-210 im direkten Vergleich zu einem Steinway B spielen?
Immerhin, ein Internethändler in der Nähe des Steigerwalds pries einen fast neuen Steinway B an. Zudem war dort die Yamaha C Serie und Kawai mit der RX Ausführung in der Länge 180 verfügbar, neben Blüthner Instrumenten. Also nichts wie hin, und enttäuscht wieder nach Hause, denn der Steinway dort hatte mit dem Steinway, der mir in Frankfurt begegnet ist, klanglich nicht viel gemeinsam. Aber ich gewann die Erkenntnis, dass mir der Kawai Klang angenehmer erscheint als der von Yamaha.
Weiter ging es mit den Reisen, primär hatte ich nun auch gebrauchte Steinway's mit ins Auge gefasst. Und wieder machten wir Bekanntschaft mit einem Restaurateur. In seiner Halle standen glatt über 20 gebrauchte Instrumente vom A bis zum D. Immerhin war er zu 200% von der Qualität seiner Instrumente überzeugt, er lebte den Steinway Kult.
Nur leider überzeugte keines der 30-60 Jahre alten Instrumente wirklich, die ja immer noch einen saftigen Preis von 35 - 45 Tausend Euro kosten sollten. Ganz stolz wurde mir übrigens eine Rechnung eines Vorbesitzers gezeigt, der den Flügel einst von Steinway für 20.000 DM überholen lies. Da schrillten bei mir die Alarmglocken:
Und wenn man mit dem Fragen erst einmal anfängt, stellen sich weitere Fragen ein:
Sucht man über Internet gezielt nach einem Vergleich von bestimmten Flügeln, findet man schnell einige Foren, deren Teilnehmer sich ausführlichst über die einzelnen Instrumente auslassen. So entstanden für mich weitere Alternativen. Steingräber, Fazioli, die Yamaha S-Serie, im preislich mittleren Segment auch noch Petrof. Einige Links zu aus meiner Sicht teilweise lesenswerten Diskussionen mit vielleicht mancherlei Antworten:
Ist der Klang wirklich das alleinige Entscheidungskriterium? Wohl kaum bei den enormen Preisunterschieden. Und so war es letztlich auch bei unserer Entscheidung - den Ausschlag gab das "Preis/Klangverhältnis". Zuletzt besuchten wir nochmals einen Händler, dieses Mal im Nordwesten der Republik, wo vor Ort 2 Steinway B, ein Shigeru SK-5 sowie ein Yamaha S6 direkt im Vergleich gespielt werden konnten.
Und 2 Wochen später stand dann ein Shigeru SK-5 anstelle des Klaviers in unserem Wohnzimmer.
Hörbeispiel des Shigeru Kawai SK-5: Unter den beiden unten stehenden Links finden Sie Hörbeispiele des Premium-Flügels der Limited Edition von Shigeru Kawai, aufgenommen im Dezember 2014.
2 Jahre nicht gestimmmt Shigeru Kawai praeludio gestimmtSK-5 Limited Edition von #Shigeru #Kawai – ein sensationeller Flügel: http://t.co/b8G7mfRSeY pic.twitter.com/s6L7ZgAS2H
— Matthias Meiners (@Praeludio) 24. Februar 2015