Eine gern gestellte Frage von Klavierbesitzern an den Klavierservice lautet:
In welchen zeitlichen Abständen soll man ein Klavier stimmen lassen?
Häufig sind die Klavierspieler dann entsetzt, wenn man ihnen anschaulich erläutert, warum sich ein Klavier im Jahresrhythmus aufgrund der Schwankungen der Luftfeuchtigkeit verstimmen kann.
Eine so gut wie nie gestellte Frage lautet dagegen: Ist meine Piano eigentlich gut zu stimmen? Diese Frage schwäche ich gerne ab, indem ich sie folgendermaßen formuliere: Sind alle Klaviere gleich gut zu stimmen? Natürlich sind nicht alle Klaviere gleich gut stimmen. Das hängt zum einen damit zusammen, dass die Stimmbarkeit scheinbar für die meisten Klavierhersteller kein Thema war. Und es begründet sich auf der Tatsache, dass man auch im Klavierbau seit längerem versucht, die Gewinnspanne durch Einsparungen und somit zu Lasten der Qualität zu optimieren. Das hört man zum Beispiel am mittlerweile veränderten Klang der Pianos.
Von manchen Klaviermarken ist zumindest unter Klavierstimmern allgemein bekannt, dass diese schwer bzw. schlecht zu stimmen sind. Ibach (Einstellung der Produktion 2007) war zum Beispiel ein solcher Hersteller aus Deutschland, dessen Instrumente aufgrund mehrerer Faktoren lediglich suboptimal zu stimmen sind. Vor einigen Tagen habe ich jedoch ein Ibach-Klavier gestimmt, das sehr gut zu stimmen war! Auf dem linken Zierbacken war eine Plakette mit dem Hinweis angebracht, dass das Klavier über eine Renner-Action verfügt. Die Seriennummer K04974 verriet darüber hinaus, dass dies schon kein Instrument mehr aus deutscher Produktion war. Offensichtlich handelt es sich bereits um ein Piano, das man im Fremdauftrag vermutlich in Korea produzieren ließ. Aus deutscher Sicht ist es genau genommen unglaublich, dass ausgerechnet solch ein Klavier im Gegensatz zu den Produkten aus Deutschland gut zu stimmen ist.
Nun die Stimmbarkeit ist zwar offiziell kein Thema. Aber vermutlich war die mangelnde Stimmbarkeit schon früher öfters ein Grund dafür, warum Marken vom Markt verschwunden sind. So geschah es zuletzt auch mit der Firma Seiler aus Kitzingen. Scheinbar war die Zahlungsunfähigkeit des Klavierproduzenten auf den Zusammenbruch der Märkte in Osteuropa zurückzuführen. Doch in Wahrheit wurden die Produkte der Firma Seiler von den Händlern fallen gelassen, da sich der Hersteller aus Unterfranken weigerte, die Hinweise zu den Problemen mit der Stimmbarkeit seiner Instrumente zur Kenntnis zu nehmen und abzustellen.
Wie weitgehend bekannt ist, ging Seiler daraufhin in die Insolvenz und wurde von dem koreanischen Konzern Samick übernommen, der unter anderem auch Klaviere baut. Nach einer Phase des Übergangs hat Samick verschiedene Führungspositionen bei Seiler neu besetzt. Eines der besonderen Ergebnisse des Führungswechsels ist, dass die Pianos von Seiler zukünftig ausschließlich von autorisierten Seiler-Fachleuten betreut werden sollen. Dieses Modell ist dem neuen Vertriebs- und Marketingleiter bestens bekannt, da er es vorher als Leiter des Steinway-Hauses in Düsseldorf kennen gelernt hat. Steinway praktiziert dieses Service-Modell seit Jahren. Eine der Erfolgsnachrichten dieses Konzepts berichten Führungskräfte von Steinway gerne vertraulich: Steinway kann lediglich mit neuen Hammerköpfen einen höheren Gewinn verbuchen als der Mitbewerber Bechstein mit dem Verkauf seiner Klaviere und Flügel! Aus welchem Grund ausgerechnet die Premium-Marke Steinway einen derart hohen Verschleiß an Hammerköpfen aufweist, bleibt ein wohl gehütetes Geheimnis des autorisierten Steinway-Service.
Warum greift nun Samick für Seiler auf dieses Service-Konzept zurück? Möglicherweise da sich auch unter der neuen Führung nichts an den Ursachen der schlechten Stimmbarkeit geändert hat. Anstatt diese Fehler in der Produktion abzustellen, wählt man den Weg, das Problem mittels eines vergleichsweise kleinen Kreises an autorisierten Seiler-Fachleuten nicht nach außen dringen zu lassen. Tatsächlich spielen aber auch heute noch die meisten Menschen Klavier, um sich zu harmonisieren. Gute Stimmung ist die Voraussetzung für Harmonie und Entspannung. Wie aber soll Harmonie gelingen, wenn das Piano nicht optimal zu stimmen ist?
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