Sie spielen Klavier. Für welche Marke haben Sie sich beim Kauf entschieden? Wissen Sie eigentlich, von welchem Hersteller die Mechanik in Ihrem Instrument ist? Ach, Sie dachten die Spieltechnik wäre vom gleichen Klavierbauer? Das ist nur selten der Fall. Sehr häufig werden die Klaviatur sowie die Klaviermechanik extern angefertigt.
Die Spielart und der Klang zeichnen ein gutes Piano aus. Die Mechanik sowie der Klangkörper bilden somit die Herzstücke dieses Tasteninstruments. Vor allem die Klaviermechanik ist durch das Spielen einem natürlichen Verschleiß unterworfen. Hochwertige Mechaniken zeichnen sich daher mit ihrer Langlebigkeit sowie einer geringen Fehlerquote aus. Schon seit langer Zeit genießt die Firma Renner den Ruf eines exzellenten Herstellers von Klavier- und Flügelmechaniken.
Doch die Qualität zählt nicht mehr so viel, seit die Kunden dem Preis den Vorrang in der Werteskala eingeräumt haben. Der Preis wird durch Produkte aus Billiglohnländern gedrückt. Das scheint auf den ersten Blick merkwürdig, denn das Klavier ist ja selbst nicht gerade eine billige Anschaffung. Zugunsten der Gewinnmargen im Klavierbau verlieren qualitativ hochwertige Mechanikproduzenten durch den Preisdruck seitens der Klavierhersteller nicht nur an Boden, sondern verfügen über gar keine Gelegenheit, den möglichen Mehrwert ihrer Produkte zu vermarkten. Denn sie werben damit nicht beim Endkunden, dem Klavierspieler. Die Nachfrage nach technischen Raffinessen wäre der Antreiber für Innovationen gewesen. Stattdessen reduziert sich nahezu die gesamte Werbung der Klavierbauer auf das Einblenden von Klaviermarken direkt am Instrument bei öffentlichkeitswirksamen Auftritten.
Dass eine solche Werbestrategie eines Teilelieferanten keine verrückte Idee ist, sondern äußerst erfolgreich sein kann, wissen wir heute alle aufgrund der Intel-Inside-Werbung. Intel hat es als Hersteller von Prozessoren für Computer aufgrund seiner Direktwerbung geschafft, dass heute nicht mehr die Computermarken ausschlaggebend sind, sondern die PCs und Macs über den Intel-Prozessor gekauft werden.
Eine ähnliche Strategie hätten die Hersteller von Klaviermechaniken auch fahren können, denn die ausdrucksstarke da gefühlvolle Spielart, das Gestalten eines wirkungsvollen Crescendos, feinste Differenzierungen der Lautstärke werden ebenso von einer guten Mechanik bestimmt wie die schnellstmögliche Repetition. Die Spieltechnik ist der Leistungsfaktor Nummer 1. Häufige Ausfälle einzelner Tasten oder gar Reparaturen an der Mechanik sind ein wesentlicher Störfaktor, der einem die Freude am Klavierspiel vermiesen kann. Ähnlich einem Prozessor im Computer hätten die Produzenten von Klaviermechaniken damit werben können, dass ihre Produkte die Garanten für Höchstleistung von Piano bis Forte sind.
Diese Gelegenheit haben die Mechanikhersteller versäumt. Daher bleibt ihnen heute genau genommen nur noch eine außergewöhnliche Offensive: Sie müssen selbst zum Klavierbauer werden! Denn wenn man sich die Historie betrachtet, dann war 1709 die ausschlaggebende Innovation die Erfindung der Hammermechanik, die dem Instrument seinen ersten Namen Hammerclavir gegeben hat. Mit anderen Worten: Die Produzenten von Klaviermechaniken sind längst die eigentlichen Klavierbauer.
Bis zu 3000.- Euro Upgrade-Bonus bietet im Jahr 2010 ein innovativer Klavierbauer seinen Kunden an, wenn sie beim Kauf eines Instruments mit den neuesten Entwicklungen dafür das alte Piano in Zahlung geben. Ein so verlockendes Angebot zeugt eindrucksvoll von dem Selbstbewusstsein, das dieser Klavierproduzent aus dem fernen Japan aufgrund des Fortschritts seiner Instrumente besitzt. Gleichzeitig greift er mit dieser zwar wieder einmal kopierten jedoch nicht steuer- sondern eigenfinanzierten Marketingidee jene Firmen an, die bereits massiv mit Umsatzrückgängen zu kämpfen haben. Wie viel Zeit bleibt den übrig gebliebenen deutschen Pianoforteverfertigern noch, um die Innovation als strategische Flucht nach vorne zu entdecken?
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