Immer wieder trifft man im Klavierservice auf neue, einem bislang unbekannte Namen von Klavierfabrikanten. Das ist nicht erstaunlich. Denn zu diesem Thema gibt es ein mit 50.- Euro relativ teures Taschenbuch mit dem Titel Atlas der Pianonummern. Diese Auflistung von Klavierherstellern ist eine Dokumentation des Klavierbaus. Darin sollen 6.000 Einträge über Klaviermarken enthalten sein. Es ist also kein Wunder, wenn man nicht alle Produzenten aus einem Zeitraum von mittlerweile 300 Jahren kennt.
Zum Seitenanfang Welchen Namen hätten Sie gerne?Dass etwas nicht korrekt sein kann, fällt einem beim Zerlegen eines Klaviers jedoch sofort auf. Wenn man ein Piano antrifft, auf dem außen der Name Steinbeck und innen der Name Hyundai steht, dann weckt dieser Widerspruch mein kritisches Interesse. Der Fall ist schnell klar. Denn der Name Hyundai ist ein fixer Bestandteil der Platte aus Gusseisen. Dieser Name ist echt. Unecht ist dagegen der Name unter dem Notenpult, der nämlich nur mit einer Folie aufgeklebt und somit der Originalname überklebt worden ist. Auch die Wahl des Namens Steinbeck überrascht nicht. Denn aufgrund der im Klavierbau historisch erfolgreichen Markenklaviere wie zum Beispiel Steinway und Bechstein sind alle Namen mit Stein auf den erhofften Erfolg hin angelegt.
Aber die Besitzer meines Steinbeck-Klaviers von Hyundai sind von der Geschichte überzeugt, die man ihnen beim Kauf erzählt hat. Sie haben nicht nur dem Verkäufer geglaubt, sondern sich über eine Homepage im Internet informiert und somit abgesichert. Was ist hier geschehen?
Zum Seitenanfang Märchen beinhalten für Kinder eigene WeltenAufgrund meiner eigenen Recherchen fand ich eine Homepage unter www.steinbeckpiano.com. Unter dem Link about steinbeck erfährt man von der Geschichte des Produkts. Die Firma ist 1887 aufgebaut worden und schon 1949 wurde die Herstellung nach Asien verlegt. In dem Zusammenhang wird Lothar Schell als ein an der Entwicklung maßgeblich beteitligter deutscher Klavierdesigner genannt. Mich macht das alles stutzig, denn ich habe bislang weder von dem Markennamen noch von Lothar Schell etwas gehört oder gelesen. Also setze ich meine Nachforschungen fort, denn die Homepage dieser Klaviermarke enthält nicht einmal ein Impressum. Auch wenn man im Internet über die WHOIS-Informationen nach dem Seitenbetreiber sucht, findet man keine Antwort. Lediglich im Quelltext ist (bislang noch) ein Hinweis auf eine andere Internetadresse enthalten, nämlich auf www.pianotrack.nl. Ein Holländer? Ja, warum nicht.
Zum Seitenanfang Deutsch ist weltweit wertvollZu dem deutschen Klavierdesigner Lothar Schell findet man im Internet, dass er einst bei Ibach geforscht habe. Ferner ist er ein Ehrenbürger von Peking, lebt aber in Südafrika. Sein Name wird in den Foren rund um den Klavierbau lediglich in Verbindung mit Billigmarken genannt.
Zum Seitenanfang Wie sieht die Wahrheit aus?Und was verrät eigentlich der eingangs erwähnte Atlas der Pianonummern zu all diesen Namen und Marken? Nichts. Steinbeck ist dort ebenso wenig enthalten wie Schell. Beide Namen stehen dort auch nicht im Zusammenhang mit den mittlerweile bekannten Klavierbauern aus Asien wie Kawai (Japan), Young Chang (Süd-Korea), Samick (Süd-Korea) oder Pearl River (China).
Zum Seitenanfang Angeblich gibt es gar keine Zufälle!Beim Suchen konnte ich jedoch eine andere Homepage finden, die sich ebenso ohne ein Impressum präsentiert. Auf der Seite http://bachmeier-klaviere.de findet man möglicherweise den zweiten Teil der Steinbeck-Story. Denn Steinbeck hat laut der Angaben auf deren Homepage 1949 die Produktion nach China verlagert. Auf der soeben neu entdeckten Webseite der Bachmeier-Klaviere lese ich, dass Bachmeier eine chinesische Pianomanufaktur ist, die 1949 gegründet wurde. Auch das ISO-Zertifikat erhielten beide Marken im gleichen Jahr, nämlich 1998.
Auf der Seite über Bachmeier erfährt man darüber hinaus, dass man in China billig produzieren und gleichzeitig moderne Produktionsstätten nutzen kann, um über die Massenproduktion niedrige Einkaufspreise der Rohmaterialien zu erzielen. Mir fällt dazu auf, das Piano-MANUFAKTUR und MASSEN-Produktion ein Widerspruch ist. Wenn sich deutsche Firmen wie die Pianofortemanufaktur Sauter oder die kunsthandwerkliche Klaviermanufaktur Steingräber mit einer derartigen Formulierung schmücken, dann passt hier das Handwerk und die so erreichten Stückzahlen auch zueinander. Steht denn nun wenigstens Bachmeier in dem Atlas der Pianonummern? Nein, auch dieser Name wird dort nicht aufgeführt.
Zum Seitenanfang Reden wir hier über Einzelfälle?Sind denn die Namen wie Steinbeck und Bachmeier Einzelfälle im Klaviergeschäft? Leider nicht. Namen suggerieren dem Interessenten eine gewisse Herkunft. Deutsche Namen implizieren die Hoffnung auf das Qualitätssiegel Made in Germany. Daher jonglieren Klavierverkäufer vor allem mit deutschen Namen, um mit diesen auf eine vergleichsweise einfache Art den erwünschten Mehr-Wert zu erzielen. Ehrlich ist der Name bei den so genannten Hausmarken der lokalen Klavierhändler. Jedoch kommen diese Instrumente selbstverständlich nicht aus deren Haus. Auch um diese Pianos ranken sich Geschichten, die eben den Status der Hausmarke rechtfertigen sollen.
Selbst Zweitmarken renommierter Hersteller werden über eigene Homepages als eigenständige Marken präsentiert. Hier muss man jedoch unterscheiden. Denn die meisten Zweitmarken werden als eine Untermarke der Hauptmarke vertrieben, sind somit Teil eines Marketingkonzepts. In der Regel sind sie durch designed by Name der Hauptmarke oder selected by Name der Hauptmarke als deren Untermarke zu erkennen. Auch mit dieser Marketingstrategie ist unterschwellig verbunden, dass die Zweitmarken im gleichen Land produziert werden wie die Hauptmarke. Dass dies nicht der Fall ist, zeigt ein kurzer Blick auf bekannte Zweitmarken wie
Fazit: Was dem Klavierbau vor allem in Deutschland fehlt, ist der Mut und die Motivation zur Innovation. Der einzig innovative Klavierbauer, der weltweit alle interessanten Mitbewerber kauft und in sein Konzept integriert, heißt Yamaha. Unter der Rubrik des so genannten Hybrid-Pianos hat Yamaha eine ganze Produktpalette entwickelt. Hierzu gehören neben den Hybrid-Pianos auch die Disklaviere sowie die Silent-Pianos. Lediglich in der letzten Kategorie versuchen die Klavierhersteller in unserem Land mit einem eigenen Angebot den Anschluss nicht vollständig zu verlieren.
Die deutschen Klavierbauer müssten sich auf den Ausbau der Möglichkeiten der Klavierspieler konzentrieren, um einen echten Mehr-Wert zu generieren. Darüber hinaus erfordert ein zukunftstaugliches Modell des Klavierhandels gleichzeitig die Bemühung um ein ganzes Paket vertrauensbildender Maßnahmen. Denn das Vertrauen der Klavierspieler ist es, das mit den oben angeführten Marketingstrategien leichtfertig verspielt worden ist.
Yamaha hat übrigens keine Zweitmarken nötig, da die Japaner
Kann Marketing wirklich so schwer sein? Was haben die Klavierhersteller davon, wenn sie Entwicklung auf den Einsatz neuer Materialien reduzieren, anstatt das Piano durch Ideen kundenorientiert zu optimieren? Die Alternative zur drohenden Insolvenz sowie der Übernahme durch die Asiaten besteht darin, sich konstruktiv in die weitere Entfaltung der Möglichkeiten unseres eigenen Kulturguts einzubringen. Für das so entstehende Produkt, das Kundenwünsche realisiert und damit den Klavierspielern einen echten Mehr-Wert bietet, müsste man nicht erst eine Markenstory schreiben. Dieses Super-Piano bräuchte auch keinen Zwischenhandel mehr. Wer im Kundendialog ein derartiges Angebot entwickeln und produzieren würde, könnte es direkt vermarkten. Jeder Besitzer eines solchen Zauberwerkzeugkastens würde zur Anlaufstelle für Interessenten und somit zum besten aller möglichen Werbeträger werden. Die Freunde des Klavierspiels würden darüber hinaus die deutschen Pianofabriken stürmen, um diese neuen Musikwerkzeuge direkt an der Quelle ausprobieren zu dürfen. Und sie würden anschließend vor den Toren Schlange stehen, um ihr Piano am Ende der Bandstraße persönlich in Empfang zu nehmen! So könnte ein zukunftsfähiges Marketing aussehen.
Sie meinen, ich sei weltfremd? Hm. Träumen Sie nicht auch von einer besseren Welt? Malen Sie sich nicht ebenso Ihre Träume in bunten Farben aus? Bestimmt sind Sie öfters von Ihrer so entstandenen Vision derart begeistert, dass Sie gleich beginnen wollen, eine bessere Welt aktiv zu gestalten! Was hält Sie davon ab? Haben Sie keine Lust auf Erfolg? Jeder Mensch ist Kunde. Kunden träumen phantasievoll und somit phantastisch. Die Industrie könnte die dabei entstehenden Wünsche, Bedürfnisse und Sehnsüchte mit traumhaften Angeboten übererfüllen. Gerne verweise ich wie schon auf meiner Homepage zum Thema Hybrid-Piano eine weiteres Mal auf Apple und deren Börsenwert 2012, der sich darauf begründet, dass Apple bedienungsfreundliche Produkte entwirft und vermarktet, die jeder intuitiv nutzen kann. Eine derartige Kreation bewerten Kunden mit der Höchstnote TRAUMHAFT und lassen zur Belohnung die Unternehmenskassen klingeln. Nachahmen ist erlaubt!
Nun halten Sie mich erst recht für weltfremd, da ich den Klavierbau mit dem Markt der Hard- und Softwareherstellung vergleiche. Um Ihren Eindruck zu widerlegen, nenne ich Ihnen im folgenden Zahlen, die laut Piano InForum aus dem Bericht der Jahreshauptversammlung von Bechstein stammen. In Deutschland wurden 2011
Aus diesen Zahlen geht doch zumindest hervor, dass sich die Klavierhersteller Gedanken machen könnten, warum neue Klaviere und Flügel eine vergleichsweise geringe Anziehungskraft besitzen.
Aber es gibt auch Aufhellungen am Horizont, denn von Bechstein ist eine Trendwende zu berichten. Wie schon oben angeführt, hat Bechstein im Jahr 2009 die Produktion der Zweitmarken Wilh. Steinmann (hergestellt in China) sowie Euterpe (hergestellt zuletzt in Indonesien) eingestellt. Aus welchem Grund verzichtet die Marke aus Berlin auf diese Zweitmarken aus den Billiglohnländern China und Indonesien? Laut Bechstein hat man sich für das neue Qualitätssiegel Made in Europe entschieden. Damit geht es immerhin schon in eine andere Richtung. Um aber das beste Qualitätssiegel Made in Germany für die neuen Produkte in Anspruch nehmen zu können, brauchen wir vor allem in der Klavierbranche in Deutschland einen anderen Umgang mit der Kreativität als dem Geist für Innovation. Denn mangelnde Innovation ist der Grund dafür, warum sich jährlich dreimal so viele Klavierspieler gegen ein neues und stattdessen für ein gebrauchtes Klavier entscheiden können, ohne dabei hör- und/oder spürbare Verluste in Kauf nehmen zu müssen. Genau genommen ist sogar das Gegenteil der Fall. Denn die überwiegende Mehrheit der Klavierspieler zieht den angenehmen romantischen Klang vor allem der alten Pianos dem teils schon grellen brillanten Klang moderner Klaviere vor. Diesen Höreindruck werten Klavierspieler als einen guten Grund, sich lieber ein altes als ein neues Klavier zu kaufen. In der Statistik nicht erfasst ist die große Gruppe jener Klavierspieler, die auf den seit über 100 Jahren im Familienbesitz befindlichen Pianos aus den genannten Gründen immer noch höchst zufrieden spielen!
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