Mein Weg zum Klavierspiel

Wie ich zum Klavier spielen kam und was mir das Musizieren gebracht hat

Mein Name ist Matthias Meiners. Als Gründer der Klavierstimmerei Praeludio schreibe ich Blogs und Artikel, um den Austausch mit Klavierspielern zu intensivieren. Dabei ist meiner Ansicht nach die Frage von besonderem Interesse, wie der einzelne zum Klavier spielen kam und was einem das Musizieren bislang an Erfahrungen gebracht hat. Um den Dialog über dieses Thema zu eröffnen, beginne ich damit, diese Fragen aus meiner Sicht und mit meinen Erfahrungen zu beantworten:

Zum Klavier spielen kam ich fremdbestimmt. Zwar war mein Elternhaus eng mit dem kulturellen Leben in meiner Heimatstadt verbunden und bei uns stand auch schon ein Cembalo im Wohnzimmer, bevor ich mit dem Klavier spielen begann. Aber der Grund für meinen Klavierunterricht hatte einfach damit zu tun, dass ich auf ein Musisches Gymnasium kam und Klavier als Pflichtinstrument gewählt hatte.

Damit war genau genommen schon ein negative Entwicklung vorgezeichnet. Denn anstelle das Musizieren als freudvolles und kreatives Schaffen kennen zu lernen, war für mich das Klavier spielen Pflicht. Dass Musik eine ganze Reihe wichtiger Funktionen für den Menschen haben kann, erlebte ich dann zuerst bei mir selbst. Viel später erst entdeckte ich die Pädagogik von Heinrich Jacoby, der hierzu wegweisende und wie ich meine heute mehr denn je aktuelle Hinweise formuliert hat. Ganz besonders beeindruckend sind die Gedanken Jacobys zur Nachentfaltung der Erwachsenen. Literatur:

  • Unmusikalisch? Die Musikpädagogik von Heinrich Jacoby. Musikedition Nepomuk. Autor: Walter Biedermann;
  • Entfaltung statt Erziehung. Die Pädagogik Heinrich Jacobys. Arbor Verlag. Autor: Walter Biedermann;
  • Jenseits von 'Begabt' und 'Unbegabt': Zweckmäßige Fragestellung und zweckmäßiges Verhalten – Schlüssel für die Entfaltung des Menschen – Kursdokumente; Verlag: Christians; Autor: Heinrich Jacoby; Herausgeber: Sophie Ludwig;

In meiner Jugend wurde die Popmusik wichtiger als die Klassische Musik und damit verbunden suchte ich mir mit der Gitarre ein zu der zeitgemäßen Musik passendes Instrument aus. Damit komponierte ich nicht nur meine eigenen Songs, sondern sammelte erste Erfahrungen im Selbstlernen.

Dass ich später Cembalo- und Klavierbau gelernt habe, hatte ursprünglich etwas mit dieser selbst gewählten und selbstbestimmten Nähe zur Musik zu tun. Aber meine Liebe zum Klavier, meine Begeisterung für die fantastischen Möglichkeiten dieses großartigen Instruments wurde erst viel später geweckt.

Selbstlernen

Auf meinem Weg zurück zum Klavierspiel motivierte mich eine Aussage von Vera F. Birkenihl am Rande eines ihrer Vorträge. Sie berichtete, dass es mittlerweile Keyboards mit der so genannten Leuchttastenschule gibt, die Autodidakten neue Möglichkeiten eröffnen würde, um sich das Klavier spielen selbst zu erarbeiten. Vom Programmierten Lernen hatte ich schon früher in Verbindung mit meinem Engagement im Sport gehört und gelesen. Nun interessierte mich, ob diese Methode funktioniert. Also kaufte ich mir so ein Keyboard und erweiterte damit meine kleines Repertoire. Nun weiß ich: Die Methode funktioniert – vor allem um Einsteigern sowie Wiedereinsteigern den Zugang zum Musizieren zu erleichtern.

Im Rahmen der Stimmung für ein Klavierkonzert lernte ich ungefähr 2007 die Konzertpianistin Henriette Gärtner kennen. Sie lud mich zu ihren Konzerten ein. Dieses intensive Erlebnis mit der klassischen Musik sowie einige kurze Gespräche mit ihr motivierten mich, die Spuren der Musik in meinem Unterbewusstsein neu zu entdecken. Frau Birkenbihl würde sagen: Zu ent-deckel-n. Denn tatsächlich war es so, dass ich anfing den obersten Deckel meines Unterbewusstseins anzuheben, und nach und nach kamen überraschend viele Einsichten und Assoziationen zu Tage. In dieser Zeit entstand die Homepage www.klavierspiel.info, die ich bislang nur geringfügig aktualisiert habe.

Als Cembalo- und Klavierbauer konzentrierte ich mich bereits frühzeitig auf den Kundendienst, dessen Kerngeschäft das Stimmen ist. An die Stimmung anschließend spiele ich das Klavier zur Probe. Dabei bekomme ich von meinen Kunden häufig die Rückmeldung, dass ich meine Stücke sehr gefühlvoll spiele. Selbstkritisch habe ich diese Hinweise lange Zeit überhört. Denn bei meiner ganz eigenen Entwicklung als Klavierspieler können derart hochwertige Aussagen doch kaum zutreffend sein. Schließlich begann ich die positive Bewertung meiner Kunden anzunehmen und ich fragte mich, wie es denn möglich sein kann, dass ich mit einem lediglich kleinen Repertoire sowie genau genommen ohne große Übung gefühlvoll Klavier spielen kann. Denn meine „Übung“ bestand ja lediglich darin, dass ich einzelne Stücke nach dem Stimmen vorspielte.

Wenn meine Kunden nach der Klavierstimmung spielen, sind mir immer wieder gefühlvolle Klavierspieler begegnet. Im Gespräch erfuhr ich, dass es sich häufig um Selbstlerner handelt. Das überraschte mich, denn das gefühlvolle Klavierspiel erwartete ich ja wie bereits erwähnt erst am Ende eines langen und intensiven Übungsprozesses. Nun lernte ich also weitere Menschen kennen, die von Anfang musiziert haben, um ihre Gefühle auszudrücken, und daher auch schon frühzeitig diese hohe Kunst umsetzen konnten.

Sprachgefühl

Vor allem um nach langer Verweigerung gegenüber klassischen Konzerten die Leistungen der Konzertpianistin Henriette Gärtner besser einschätzen zu können, nahm ich schließlich die Profis unter die Lupe. Bei den Konzerten sowie den CDs von Frau Gärtner fiel mir nämlich auf, dass mich ihr Klavierspiel zu einem intensiven Selbstgespräch animiert. Diese Erfahrung machte ich eher selten, wenn ich anderen Pianisten zuhörte. Über das Vergleichen kam ich zu der Einsicht, dass ein ausdrucksstarkes da gefühlvolles Klavierspiel kein Automatismus ist, der sich am Ende einer methodischen Übungsreihe mit technischen Inhalten zwangsläufig einstellt. Offensichtlich handelt es sich hier tatsächlich um die Befähigung, bei bereits vorhandenen Kompositionen die Botschaften zwischen den Zeilen lesen und musikalisch interpretieren bzw. die eigenen Empfindungen ähnlich einer sprachlichen Strukturierung musikalisch ausdrücken zu können. Dabei ist der Vergleich zwischen Sprache und Musik aufschlussreich. Denn wenn ich sprachlich etwas derart ausdrücke, dass mein Vortrag die Zuhörer fasziniert, dann nutze ich dabei genau genommen musikalische Elemente:

  • Sprach-Melodie,
  • Sprach-Rhythmus,
  • sprachliche Be-Ton-ung sowie
  • die Dynamik der Rede.
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