Das Musik-Instrument ist ein Werkzeug zum Musizieren. Das heißt: Nur wenn mein Werkzeug funktioniert, kann am Ende auch freudvolles Musizieren entstehen. Andernfalls werden mich zahlreiche Störungen derart nerven, dass ich letztendlich entnervt aufgeben werde. Am Beispiel eines Klaviers der Marke Dalibor, Baujahr 1950, kann ich anhand von Hörbeispielen mit entsprechenden Erläuterungen aufzeigen, dass sich der Klavierservice häufig nicht auf das Stimmen beschränkt.
Verstimmt mit NebengeräuschenBei unserem Klavier von Dalibor waren die Klavierhämmer locker. Dadurch verschieben sie und treffen nur noch teilweise auf die 2-3 Saiten. So schlägt sich der Filz schief ein. Das wiederum wirkt sich auf die Hammerachsen aus. Die Führungen der Achsen, die in mit dünnen Filzen garnierten Hammernüssen aus Holz stecken, schlagen aus. Bemerkt man das rechtzeitig, so kann man die Hämmer fixieren und wieder auf die Saiten eines Tons ausrichten. Hält die Stimmung außergewöhnlich lange, weshalb auch der Klavierservice erst nach längerer Zeit die technischen Mängel feststellen kann, so bleibt nur die Möglichkeit, die Hammernüsse auszuwechseln, die Hammerfilze abzufeilen und letztendlich einen wesentlich größeren Aufwand zur Lösung des technischen Problems zu leisten.
Sie fragen: Warum haben sich denn die Hämmer und weitere Teile der Klaviermechanik gelockert? Ein Blick auf den Resonanzboden verrät oftmals viel über den Zustand des Holzes im Klavier. Sind die Risse schon sehr groß, dann liegt schon lange ein Schaden vor. Dieser Schaden ist durch die Fußbodenheizung natürlich nicht geringer geworden. Ist die Luftfeuchtigkeit zu gering, so sinkt die Holzfeuchtigkeit und Holz zieht sich so stark zusammen, dass es zerreist. Haltende Teile wie die hölzernen Hammernüsse in der Mechanik schrumpfen. Dadurch lockert sich die mit Schrauben versehene Verbindung. Derartige klimatische Einflüsse und die daraus resultierenden Unzuverlässigkeiten des Spielwerks sind übrigens der Grund, warum schon früher einzelne Klavierhersteller Hammernüsse aus Kunststoff eingesetzt haben und weshalb man heute die Klaviermechanik aus Carbon herstellt.
Gestimmt mit NebengeräuschenNach der Stimmung fallen die Nebengeräusche erst richtig als Störung auf. Denn vorher war die Geräuschkulisse vielschichtig. Sie bestand aus den in sich verstimmten Tönen, den darüber hinaus verstimmten Intervallen, den klappernden Nebengeräuschen sowie weiterer Geräusche, die sich aufgrund der Komplexität gar nicht im Einzelnen wahrnehmen lassen.
Gestimmt, geräuschlos, ohne IntonationBeseitigt man im nächsten Schritt die klappernden Nebengeräusche der Klaviermechanik so fallen nun einzelne Töne auf, die klanglich aus der Tonreihe hervorstechen:
Liegt das an der Anschlagstechnik des Spielers? Nein, es liegt daran, dass Filz ein elastisches Material ist. Aufgrund der hohen Anzahl und der Intenstität der Anschläge der befilzten Klavierhämmer gegen die Saiten pressen sich die oberen Filzschichten zusammen. Da man manche Töne öfter spielt, ergibt sich im Lauf der Zeit ein unausgeglichenes Hörbild. Das kann man durch Stechen der Filze sowie Kontrollen der richtigen Führung des Hammers wieder ausgleichen.
Gestimmt und ausgleichend intoniertNach der von Klavierbauern so genannten Intonation, die genau genommen eine Modulation des Klangs ist, fallen einzelne Töne nicht mehr heraus, weil sie anders klingen, sondern es wird die Art von Be-Tonung wahrgenommen, die der Spieler absichtlich und somit willentlich akzentuiert. Nicht mehr das Instrument (Werkzeug) bestimmt, wie das Stück klingt, sondern das Ergebnis liegt in den Händen des Spielers, ist somit Ausdruck seiner willentlichen Gestaltung. Nun erst ist der Spieler auch wirklich motiviert, das Stück nach seinem Gutdünken, nach seiner aktuellen Befindlichkeit, nach seiner Vision zu interpretieren. Vorher war er ja nur damit beschäftigt, die Unterschiede des Klaviers nach Möglichkeit auszugleichen, bzw. die Defekte in deren Auswirkung zu minimieren. Eine derartige Minimierungs-Strategie kann zu keinen optimalen Ergebnissen führen, die nämlich einer Optimierungs-Strategie bedürften! Um also das musikalische Optimum überhaupt ausreizen zu können, bedarf es der korrekten technischen Voraussetzungen, die durch die Regulation der Klaviermechanik sowie der Modulation des Klangs geschaffen werden. Nur so lässt sich Spielfreude dauerhaft erhalten. Haben Klavierspieler nämlich keine Lust mehr, sich ans Klavier zu setzen, dann sind oftmals Unzulänglichkeiten der Spielart, des Klangs und/oder der Stimmung dafür verantwortlich. Passt alles zusammen, dann löst die Spielfreude ein Perpetuum Mobile des Erfolgs aus:
Umso mehr Spielfreude ich habe, desto öfters werde ich Klavier spielen. Umso öfter ich am Klavier bin, desto erfolgreicher werde ich damit umgehen. Das wiederum erhöht meine Spielfreude. Nachfolgend werde ich mir immer höhere Ziele der Gestaltung setzen und komplexere Aufgaben angehen. Dieser Fortschritt steigert mein Selbstwertgefühl über die so erlebte Selbstwirksamkeit. Beides zusammen wird mich letztendlich mutiger machen, Neues zu erforschen, unbekannte Wege zu wagen.
In diesem Sinn verstehe ich die Leistungen von Musik-Unterricht sowie von Klavier-Service als Beiträge zu einer Art Lebensschule. Es geht also nicht nur um Harmonielehre, Fingertechnik, etc. des Lehrers bzw. das absolute Gehör des Stimmers sowie die Fähigkeit, Technikfehler analysieren und korrigieren zu können. Es geht um Pädagogik, Psychologie, um Einfühlungsvermögen, um die Nähe zum Leben. Hier hat Musik ihr Selbstverständnis und ihren Platz für den musizierenden Menschen als
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— Matthias Meiners (@Praeludio) 26. April 2015