Piano - quo vadis?

Resonanzmarketing aus der Sicht des Musikers

Ist unser Pianoforte ein Garant für den Stillstand?

Starten wir aus Sicht der europäischen Hochkultur mit einem Blick auf die Mitbewerber aus Asien: Die Japaner begannen bereits um 1900 mit dem Klavierbau. Yamaha (1887) baute anfangs Harmonien und erst ab 1900 Klaviere sowie ab 1902 Flügel. Kawai (1927) produzierte dagegen von Anfang an Orgeln und Klaviere. Yamaha stellte bis heute über 6 Millionen Pianos in Japan her. Kawai verkaufte seit der Gründung über 2 Millionen Instrumente. Zum Vergleich die ungefähren Stückzahlen der noch produzierenden Klaviermarken aus dem Westen:

  • Steinway (gegründet 1853) 600.000
  • Schimmel (gegründet 1885) 370.000
  • Bechstein (gegründet 1853) 200.000
  • Seiler (gegründet 1849) 175.000
  • August Förster (gegründet 1859) 165.000
  • Grotrian (gegründet 1865) 160.000
  • Blüthner (gegründet 1853) 150.000
  • Sauter (gegründet 1846) 120.000
  • Bösendorfer (gegründet 1828) 50.000
  • Steingraeber (gegründet 1852) 50.000
  • Carl A. Pfeiffer (gegründet 1862) 35.000
  • Fazioli (gegründet 1980) 2.000
Und wie sieht es mit den Innovationen im Klavierbau in den vergangenen 100 Jahren aus?

Über Japan kam das Silent-Piano auf den Markt, das erste erfolgreiche Hybrid-Piano, das eigentlich Kemble (England) erfunden hatte. Dank einer Stummschaltung kann man das akustische Klavier abschalten und stattdessen mit Kopfhörern ein Keyboard mit Generalmidi spielen, das als Besonderheit die Eigenschaft besitzt, dass man weiterhin eine Klaviermechanik bewegt und somit das Spielgefühl eines echten Klaviers beibehält. Diese Entwicklung berücksichtigte zeitgemäße Veränderungen hinsichtlich hellhöriger Mietwohnungen und abnehmender Toleranz gegenüber dem Üben als einem notwendigen Teil des Musizierens.

Das erste im Westen entwickelte Silent-Piano mit dem Namen Vario kam 25 Jahre später von Bechstein. Das war quasi das erste Signal eines bei Bechstein einsetzenden Wandels. Zur Ehrenrettung der deutschen Klavierbauer sollte ich erwähnen, dass die alte Klaviermarke Seiler (gegründet in Liegnitz, Produktion nach dem Zweiten Weltkrieg in Kitzingen) der eigentliche Erfinder einer sehr guten Variante des Hybrid-Pianos war. Für den hohen Grad dieser Innovation erwies sich der Markt jedoch als noch nicht reif genug, soweit man überhaupt versucht hatte, den Markt diesbezüglich zu beeinflussen...

Ungefähr zur gleichen Zeit der Markteinführung des Silent-Pianos brachten die Japaner den Selbstspieler Disklavier auf den Markt. Die schlichte Bezeichnung eines Selbstspielers bekam eine Mehrwert-Kategorie. Das Piano stieg auf zum Reproduktionsklavier. Mit diesen beiden Piano-Mischformen war Yamaha sehr erfolgreich. Unter Insidern erzählte man, dass ein Drittel aller Pianos des japanischen Konzerns mit eingebauter Elektronik verkauft werden. Wenn man das von einem Hersteller sagt, der auf seinen Akustikpianos die Seriennummer über 6 Millionen stehen hat, dann bedeutet das eine überraschend hohe Stückzahl, nämlich ungefähr genauso viele Pianos wie die oben in der Liste aufgeführten Hersteller gemeinsam über 100 Jahre produziert hatten, also rund 2 Millionen. Das Besondere an dieser Feststellung ist der zusätzliche Hinweis, dass Yamaha das in nur 30 Jahren und auch noch gegen den weltweit stark rückläufigen Trend im Klavierverkauf geschafft hat. Der deutsche Klavierhersteller Sauter, der 2019 sein 200-jähriges Bestandsjubiläum feiern wird, musste über 70 Prozent Umsatzrückgang hinnehmen. Yamaha gab 2009 den Minderheitsanteil von 24,99 Prozent an Schimmel zurück und schloss im gleichen Jahr das zu 100 Prozent übernommene Werk der Marke Kemble (England). Wenn man in dieser lang anhaltenden Phase eines stark schrumpfenden Marktes 2 Millionen Klaviere mit einer besonderen Zusatzausstattung verkaufen kann, dann ist das der beste Beweis dafür, dass es sich bei dieser hybriden Kombination um den neuen, wirtschaftlich erfolgreichen Trend handelt.

Wie reagierte der Markt? Und wie reagierten die Mitbewerber vor allem aus Deutschland auf die zunehmende Konkurrenz aus dem fernen Japan? Nun der Markt, also Sie, die Käufer, reagierten begeistert. Wettbewerb ist ein Phänomen des Marktes, das dem Kunden mehr Auswahl und meist auch günstigere Preise bietet. Yamaha kam von außen, suchte und stellte sich dem Wettbewerb. Schon seit circa 20 Jahren verkauft Yamaha in Deutschland circa 50 Prozent aller Pianos - und der Marktanteil wächst! Von den Klavierbauern aus Deutschland kam so gut wie keine Reaktion. Anstatt Yamaha zu analysieren, mögliche Erfolgsfaktoren zu selektieren und diese anschließend zu kopieren, schaute man weg. Man überließ die Einflussfaktoren auf den Markt Dritten, wie zum Beispiel den nicht zum Yamaha-Netzwerk gehörenden Klavierhändlern. Die Verkäufer dieser Klaviergeschäfte sowie die Presse versuchten die Leistungen der Japaner schlecht zu reden. Das waren Klavier ohne Seele da es sich um Massenprodukte handelte. Oder man sprach von Plastikklavieren, nur weil in der Klaviermechanik ein Teil aus Kunststoff war. Tatsächlich hat Yamaha bis heute unter den traditionellen Klavierspielern im Westen keinen allzu guten Ruf, was ich auf die Imagebildung durch Presse und Handel zurückführe, die jedoch dem deutschen Klavierbau nicht geholfen hat. Denn Yamaha hat sich gar nicht still und leise zum Weltmarktführer im Bau von Akustikpianos hochgearbeitet, indem die Japaner umgekehrt die Spitzenprodukte im Westen kopiert, analysiert, ausprobiert und darüber gelernt haben, wie man wirklich gute Klaviere bauen kann. Darüber hinaus sind Yamaha und Kawai (leider) die einzigen innovativen Klavierbauer und daher zu recht Marktführer in den Nischen des Silent-Pianos und Disklaviers.

Daraus ergeben sich nun zwei Fragen:

  1. Wie konnte es geschehen, dass japanische Klavierbauer derart im Weltmarkt aufsteigen?
  2. Warum haben die Mitbewerber nicht schon längst die erfolgreichen Konzepte aus Japan kopiert?

Interessanterweise gibt es auf beide Fragen die gleiche Antwort: Die westlichen Klavierbauer hatten sich hinsichtlich der Entwicklung ihre einzigen Produkts, des Pianos, ein Tabu verordnet. Dieses nach außen hin nicht kommunizierte Verbot ermöglichte es einem scheinbar kulturell weit entfernten Mitbewerber Marktführer zu werden. Gleichzeitig verhinderte dieses Tabu die Kopie von Erfolg, der eine Entwicklung bedeutet hätte. Nun schlagen Sie sicher die Hände über dem Kopf zusammen und fragen sich, ob entweder der Autor spinnt, oder wie das sein kann, dass man sich Entwicklung verbietet?

Natürlich ist das Tabu von Entwicklung keine Selbstverständlichkeit. Auch ich habe lange gebraucht, um das Muster zu erkennen, und dann auch zu verstehen. Der Hintergrund für die negative Einstellung gegenüber Entwicklung liegt in der Geschichte der westlichen Klavierfirmen. Dort gab es, wie an der Liste oben abzulesen ist, (außer bei Fazioli) im 19. Jahrhundert einen Namensgeber. Wenn Sie mal bei Wikipedia nach den Namen der großen Klaviermarken suchen, dann werden Sie auf allen Seiten das gleiche Muster finden: Die Beschreibung der Markenstory anhand der Geschichte des Namensgebers! An diesem Muster haben deren Kinder und Enkel nichts geändert. Die Erben waren nur noch die Verwalter, aber nicht mehr die Gestalter der Marke. Jede Entwicklung auf den zeitgemäßen Stand der Technik hätte zwangsläufig ein Überschreiten des vom Namensgeber erreichten Ist-Standes bedeutet und wäre indirekt ein Angriff auf die eigene Marke gewesen, die sich einzig über den Namensgeber definiert. Tatsächlich steht die Marke Steinway für die leichte Spielart und Bösendorfer für den guten Pianoklang. Beide Eigenschaften lassen sich aufgrund von Entwicklungen aus der Vergangenheit objektiv begründen und waren die direkten Ergebnisse der Namensgeber in ihrer Rolle als Erfinder. Eine derartig eindimensionale Markendefinition bietet aber keinen Spielraum für Entwicklung, wird zum Gefängnis und letztendlich zum Symbol für dauerhaften Stillstand.

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Der Markt reguliert, wozu das Management nicht imstande war

Stillstand ist der Untergang

Endlich hat die Branche kapiert: Weiter so ist nicht möglich. Die Reise führt ins Niemandsland. Aber wie kann man das laufende Szenario ohne Gesichtsverlust beenden? Interessanterweise betrachten viele der Erben den folgenden Fall gar nicht als den Worst Case: Man wird gekauft. Was gibt es für Alternativen? Man hätte ja noch die Option, sich selbst zu verkaufen. Wenn Sie der Kultur und hier der Musik nahe stehen, erscheint es Ihnen geradezu pervers. Könnte man sich nicht auch wehren? Also sich zum Beispiel mit Marketing beschäftigen, oder innovativ werden? Offensichtlich ist das unseren großen Klaviermarken nicht möglich. Warum eigentlich nicht? Auch wenn Sie das jetzt hart treffen wird: Es scheint der Glaube an die Zukunftsfähigkeit des eigenen Produkts zu fehlen! Nein, das ist unglaublich. Gut, schauen wir also, wie unsere Marketing-Story weitergeht:

Bösendorfer (Wien) und Steinway (New York) wurden (wieder einmal) gekauft. Bösendorfer entschied sich 2007 für Yamaha und damit gleichzeitig gegen einen chinesischen Interessenten. Steinway wurde 2013 in einem Handstreich von dem Hedgefondsmanager Paulson übernommen. Wilhelm Steinberg (Thüringen) erfuhr 2013 eine feindliche Übernahme durch den chinesischen Partner, was Grotrian (Braunschweig) nicht davon abhielt, mit dem gleichen chinesischen Konsortium eine Partnerschaft einzugehen, was 2015 zur Übernahme von Grotrian durch die chinesische Parsons Music Group führte. Schimmel (Braunschweig) wartete nicht auf Anbieter, sondern bot sich 2016 selbst zum Verkauf an den größten chinesischen Klavierproduzenten an. Bechstein (Berlin) wiederum hatte wohl keine Lust auf diese Form von Kontrollverlust. Daher schaute man sich im Kreis seiner Anhänger um und guckte sich mit Stefan Freymuth den Erben eines Immobilienimperiums aus. Der durfte 2013 Bechstein und 2016 auch die Geschäftsführung übernehmen.

Als 2013 der erwähnte Hedgefondsmanager John Paulson überraschend Steinway-Sons übernahm, fragten sich alle an der Klaviermusik Interessierten, wie es mit Steinway weitergehen würde. Paulson stand im Rampenlicht und musste Antworten liefern. Doch wie kam es eigentlich dazu, dass ein Hedgefondsmanager Steinway übernehmen konnte?

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Wie kam der Hedgefondsmanager zu seinem Spitznamen?

John Paulson – The King of Cash

John Paulson verfügte als Hedgefondsmanager über ausreichend Kapital und gute Kontakte zu Geldgebern. Vor diesem finanziellen Hintergrund spekulierte er im Rahmen der Immobilienkrise 2007 erfolgreich gegen sein eigenes Land. Die unter sozialen Gesichtspunkten kritisch zu beurteilende Form der Investition basiert auf einem dubiosen Hintergrund. Denn John Paulson selbst initiierte den so gewinnträchtigen Fond bei Goldman Sachs. Die daraufhin fällig werdenden Zahlungen führten auch bei deutschen Banken zu sehr hohen Verlusten! Für den sich daraus ergebenden außergewöhnlich hohen Überschuss seiner Jahresbilanz bekam er den Titel des King of Cash verliehen. Denn Paulson gewann durch spekulative Optionsscheine an der Börse in nur einem Jahr 3,7 Milliarden Dollar und so konnte er es sich 2013 leisten, das immer noch im Ruf einer Edelmarke stehende Unternehmen Steinway & Sons für 386 Millionen Euro den zum Kauf bereiten Interessenten vor der Nase wegzuschnappen. Dazu überbot er einfach das Übernahmeangebot des koreanischen Konzerns Samick 5 Minuten vor 12. Ulrich Sauter, der Vorsitzende des Bundes Deutscher Klavierbauer, meinte zu der Kaufsumme in einem Interview, dass man das nie mehr erwirtschaften kann. Und das bedeutet wiederum: Wer Steinway kauft, dem geht es nicht um den wirtschaftlichen, sondern eher um einen Image-Aspekt.

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Von Steinway kam der letzte Flügel (S-155) 1935 auf den Markt. Welches neue Produkt folgte 2016?

Steinway hat ein neues Produkt

Nur 3 Jahre nach der Übernahme präsentiert Steinway ein neues Produkt. Es heißt Spirio und ist ein Selbstspieler. Aber warum baut der Premium-Hersteller für Konzertflügel einen Selbstspieler? Die Antwort liegt in der Person des neuen Inhabers. John Paulson ist ein ausgewiesener Nicht-Klavierspieler. In der Folge hat sich also die Perspektive bei Steinway auf den Markt der Nicht-Klavierspieler bzw. Noch-Nicht-Klavierspieler verändert. Circa 2016 wurden aus dem Hause Steinway Überlegungen bekannt, wie man den Zugang zum komplexen Klavierspiel für die zwar ausreichend vermögende, aber nicht über die dafür üblicherweise notwendige Zeit und Motivation verfügende Klientel vereinfachen kann. Das erste konkrete Produkt auf dem neuen Weg war dann witzigerweise der bereits erwähnte Selbstspieler Spirio. Als witzig empfinde ich die gewählte Abkürzung, denn sich einen Selbstspieler ins Wohnzimmer zu stellen, ist der kürzeste Weg zum Ziel, wenn das Ziel lediglich darin besteht, einen Steinway sein eigen nennen zu können. Man könnte schlussfolgern, dass es sich hier um eine gewagte Themaverfehlung handelt. Denn wer daran interessiert ist, das Klavier spielen zu lernen, der bleibt bei der von John Paulson äh Steinway gewählten Abkürzung schlicht auf der Strecke...

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Wetten, dass Sie nicht erraten werden, warum John Paulson Steinway gekauft hat?

Exkurs: Warum kauft ein Nicht-Klavierspieler einen Klavierbauer?

Diese Frage brennt Ihnen bestimmt unter den Nägeln. Die Antwort auf Ihre Frage liegt in der Familiengeschichte John Paulsons. Dessen Vater war nicht so vermögend, dass er seinen Kindern einen Flügel der damals schon teuersten Marke hätte kaufen können. Es musste ein preisgünstiger Flügel her. Die Enttäuschung seiner Schwestern über den vergleichsweise minderwertigeren Flügel verdeutlichte John Paulson als kleinem Jungen den offensichtlich hohen Wert des guten Rufs von Steinway. Es war also tatsächlich das Image von Steinway, das John Paulson zu seiner von niemand erwarteten, scheinbar spontanen Investition motivierte.

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Steinway findet zurück in die Spur des Erfolgs

Steinways wirtschaftlicher Turnaround

Und nun passierte bei Steinway etwas, das traditionelle Klavierbauer wie der Teufel das Weihwasser fürchten. Denn Steinway verkündet 2018, dass es dank dem Selbstspieler Spirio den wirtschaftlichen Turnaround geschafft habe. Spirio soll nämlich seit seiner Markteinführung 2016 ein Drittel der aktuellen Aufträge ausmachen - während in den Jahren von 2007 bis 2012 der Umsatz der herkömmlichen Steinway Akustikflügel um 13 Prozent eingebrochen war! Zur Belohnung für den Erfolg bekommt der Spirio genauso wie damals das Disklavier auch eine neue Kategorie. Er steigt auf zum Re-Performance Piano.

Die inzwischen recht kleine Welt der verbliebenen alten Klavierhersteller staunt. Aber warum eigentlich? Das war doch von Yamaha längst bekannt, dass es für diese Hybrid-Kombination aus Akustikinstrument mit integrierter Elektronik einen gar nicht kleinen Markt gibt. Warum tut man jetzt so, als wäre das etwas Neues - noch dazu etwas, das ausgerechnet Steinway erfunden hat, die vor weit über 100 Jahren für Erfindungsreichtum standen, aber nicht mehr in den letzten Jahrzehnten?

Wenn Sie die weitere Entwicklung des Pianos vorwegnehmend glauben, dass spätestens jetzt jedem Klavierbauer klar werden müsste, dass dem akustischen Hybrid-Piano eine glänzende Zukunft bevorsteht, dann verweise ich auf die bereits erwähnte Story des Silent Pianos. Dessen wirtschaftlichen Erfolg hat man in der Branche trotz aller ansonsten negativen Indizien für die weitere Marktentwicklung über 20 Jahre schlicht ignoriert. Stattdessen hat man Ihnen, den Klavierspielern die analoge Variante des elektronischen Silent Pianos verkauft, nämlich das dritte Pedal mit dem Moderator, einem dünnen Filztuch, das sich zwischen Hammer und Saite schiebt, um so dauerhaft etwas leiser spielen zu können. Das Vorbild des Erfolgreichen ist anscheinend kein zwingender Auslöser dafür, dessen Strategie zu kopieren – wenn man in den Gewohnheiten seiner Branche (felsen)fest verankert ist. Wer sich aber hinsichtlich seines Produkts aus welchen Gründen auch immer gegenüber dem Markt als entwicklungsresistent erweist, hat genau hier, nämlich auf diesem Markt nichts mehr verloren. Denn im Spiel des Marktes besteht die Rolle der Anbieter eben darin, den Kunden die jeweils zeitgemäß besten Lösungen anzubieten. Wer die existierenden Lösungen sehenden Auges seinen Kunden vorenthält, begeht in unserem Marktspiel den höchsten Regelverstoß. Das müsste eigentlich die Höchststrafe, nämlich den Ausschluss aus dem Spiel nach sich ziehen. Oder nicht?

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Taugen die neuen Geschäftsmodelle in einem konservativen Markt?

Steinways strategischer Turnaround

Das Verbot der Kopie von erfolgreichen Lösungen hat sich dank John Paulson grundlegend geändert. Wie sich nun schon mehrfach gezeigt hat, scheint dieser Hedgefondsmanager ein Meister in Abkürzungen zu sein. Folglich ist bei Steinway heute der Erfolg selbst auf ungewöhnlichen Wegen erlaubt. Steinways neuer Inhaber lässt daher 2018 verkünden, dass man rund um Spirio eine Plattform bauen will. Plattformen scheinen aktuell ein beliebtes Geschäftsmodell zu sein. Apple hat es vorgemacht und daher will es Microsoft nun nachmachen. Amazon ist ein Musterbeispiel dafür, wie man mittels dem so genannten Marketplace die Grenzen des eigenen Business erweitert, indem man zu einer Plattform für andere wird. Und nun kommt also ein westlicher Klavierbauer auf die Idee, seine eigene Plattform aufzubauen.

Warum liegen Plattformen eigentlich im Trend? Wer eine Plattform hat, entscheidet darüber, was dort geschieht. Es ist wieder wie in den glücklichen vergangenen Zeiten der geschlossenen Märkte, als man noch imstande war, die Regeln zu bestimmen, wer unter welchen Bedingungen den Zugang bekommt. Als man Klaviere noch beim lokalen Händler kaufte, schlossen diese Verträge mit den Herstellern ab und bekamen von diesen das Versprechen des so genannten Gebietsschutzes - übrigens zu der konkreten Gegenleistung, dass nämlich die Händler vor Ort nach dem Verkauf den jährlich anfallenden Stimmservice der Pianos übernehmen! Da es als Folge des grenzenlosen Online-Marketings keinen Gebietsschutz mehr gibt, ist der Stimmservice für die Händler nur noch ein lästiges Relikt aus der Vergangenheit. Den versucht man loszuwerden. Zum Beispiel in Musikgeschäften, die sowohl Akustikpianos als auch Digitalpianos anbieten, versucht man daher den Kunden bei seiner Kaufentscheidung zum Digitalpiano zu beeinflussen, indem man darauf verweist, das dies im Gegensatz zum Klavier keine Folgekosten nach sich ziehen würde. Nebenbei bemerkt: Der wie schon erwähnt stark rückläufige Verkauf von neuen Pianos aufgrund

  • der außergewöhnlich hohen Lebensdauer von weit über 100 Jahren,
  • den extrem langen Innovationszyklen des Produkts von ebenfalls weit über 100 Jahren sowie
  • die Veränderungen bezüglich der grenzenlosen Einkaufsmöglichkeiten durch das Internet, konkret das Online-Marketing,

führen dazu, dass es lokal immer weniger Klaviergeschäfte gibt. Als eine unmittelbare Folge dieser Entwicklung stirbt der Klavierservice aus. Da ich mit der Klavierstimmerei Praeludio überregional unterwegs bin, kann ich berichten, dass es schon heute Regionen ohne Klavierservice gibt. Praeludio ist als ein zeitgemäßer Klavierservice mit eigener Firmen-Philosophie auch Ihr Ansprechpartner, wenn es um Alternativen oder Lösungen geht. Denn Praeludio® zeichnet eine ganze Reihe von Besonderheiten aus. Unter anderem ist mein Unternehmen eine Marke. Marken sind einzigartig und verfügen daher über so genannte Alleinstellungsmerkmale. Ganz im Sinne solcher Alleinstellungsmerkmale finden Sie ausschließlich bei Praeludio® entsprechend einem umfassend transparenten Geschäftsmodell

  • alle Informationen über den aktuellen Stand der Entwicklung und die Marktreife der hybriden Alternativen auf der Homepage www.Hybrid-Piano.de, sowie
  • Hilfe zur Selbsthilfe über das Praktikum Selberstimmen. In diesem Praktikum können Sie bei sich zu Hause an Ihrem Piano lernen, wie Sie es selber stimmen, und schließlich liefert Ihnen Praeludio auch
  • die Information, dass es in USA einen Ingenieur namens Don Gilmore gibt, der ein System entwickelt hat, wie sich ein Akustikpiano selbst stimmen kann, das jedoch starke Mängel hat und augrund dessen von der Industrie bis heute nicht nachgefragt worden ist: www.selbststimmendes-klavier.de. Da dieses System nicht zukunftstauglich ist, informiere ich Sie über einen weiteren Trend, der nämlich das Selberstimmen von Hand zu einer überschaubaren und leichter lösbaren Aufgabe macht:
  • 2014 hat David Klavins im Dialog mit dem bekannten Musiker Nils Frahm das Una-Corda-Piano entwickelt. Das UC-Piano hat eine ganze Reihe von konstruktiven Besonderheiten. Doch im Wesentlichen zeichnet es sich dadurch aus, dass es durchgängig nur eine Saite pro Ton hat und somit ein Leichtbau-Piano ist. Aufgrund der geringeren Saitenzahl dürfte sich die fürs Stimmen notwendige Zeit auf ein Drittel verringern! Und wie man lesen kann ist David Klavins schon komplett in der Gegenwart angekommen, denn: Una Corda goes Hybridpiano! Der Meister ergänzt sein Akustikpiano auf Kundenwunsch nicht nur mit Tonabnehmern unter den Saiten, sondern neuerdings auch mit MIDI und Samples, sowie mit Touchkeys und MIDI Polyphonic Expression (MPE). MPE ist seit Anfang 2018 der neue Standard für ausdrucksstarkes Spiel auf dem Tasteninstrument. Mit anderen Worten: Sie können bei David Klavins heute schon das erste vollwertige akustische Sensor-Hybrid-Piano bestellen und sich liefern lassen.

Zurück zu unserem Thema: Als es noch geschlossene Märkte gab, hatten die Klavierhersteller ihr Geschäft unter Kontrolle. Das ist der Traum aller Teilnehmer am mittlerweile so genannten Freien Markt. Ein vergleichbares Ergebnis erreicht man heute nur über ein Monopol. Das hat Steinway bislang noch innerhalb der Nische der Premium-Konzertflügel. Daher baut bis heute Steinways Verkaufsstrategie ganz im Sinne eines geschlossenen Marktes darauf auf, dass wenige, ausgesuchte Händler die lukrative Alleinvertretung für grosse Wirtschaftsgebiete erhalten. Neuerdings genügt eine Plattform für die Kontrolle der eigenen Nische. Aus der Sicht des Kunden, läuft hier aber etwas falsch. Denn wünschenswert wäre, dass die Firmen mit ihren Produkten in den Wettbewerb um den Kunden treten. Dann wäre nämlich Produktentwicklung eine Selbstverständlichkeit und der Kunde würde im Rahmen der so genannten Win-win-Strategie zum Mit-Gewinner.

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Wer kopiert wird, erfährt dadurch eine Ehrung, sagt man in Asien.

Hurra, wir können es wieder: Kopieren!

Natürlich haben Sie es längst erkannt: Das Vorbild für Steinways Pläne ist Yamahas Disklavier. Das ist auch ein Selbstspieler, der bereits über eine Plattform für neue Angebote auf dem Entertainment-Markt verfügt. Die Disklavier-Technologie offeriert bislang unbekannte Möglichkeiten. Schon heute kann man mit zwei Disklavieren über das Internet Klavierunterricht in hoher Qualität praktizieren. Dabei bekommen Klavierlehrer wie Klavierschüler jeweils das Vorspiel des Gegenübers über das Internet verbunden auf dem eigenen Instrument vorgespielt, wenn beide die Disklavier-Technologie einsetzen. Eine weitere neue Möglichkeit besteht darin, ein Klavierkonzert nicht nur live auf eine Leinwand, sondern auch auf die Tasten des Disklaviers im Wohnzimmer des Endkunden zu übertragen. Dieses für ein Piano neue Leistungsmerkmal hat Elton John in Los Angeles anlässlich des 125-jährigen Jubiläum-Konzerts von Yamaha eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Denn der herausragende Event mit dem Superstar wurde live auf die mit der Disklavier-Technologie ausgestatteten Flügel in 5 Metropole der Welt übertragen. Nachfolgend konnte man (über Yamaha) exklusiv Events von Elton John zu sich ins Wohnzimmer buchen. In diesem Bericht von UStoday unter Growing Sales über die aktuellen Entwicklungen aus dem Hause Steinway liest sich das so, als hätten die Amerikaner das Angebot des Live-Konzerts auf dem Spirio im eigenen Wohnzimmer sowie den Fern-Klavier-Unterricht erfunden. Es ist also wieder einmal eine Leistung der Presse, die hier die öffentliche Meinung bildet. Doch wir wissen nun, dass sowohl der Selbstspieler als auch die damit verbundene Plattform nichts grundlegend Neues, sondern als Marketing-Ideen lediglich Kopien der Japaner sind.

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Wie geht es in unserer Geschichte weiter?

What‘s next? Elton John geht in Rente

Wie geht die Geschichte weiter? Lassen Sie uns den Blickwinkel verändern. Schauen wir also gleich mal darauf, was Yamaha in Zukunft vormachen wird, um die nachfolgende Marktentwicklung antizipieren zu können.

Der Künstler und Entertainer Elton John geht in Rente und Yamaha hat auch die Perspektive gewechselt. Anstatt tatsächlich eine möglichst umfassende Pianoplattform zu errichten, steht Yamaha auf der Entwicklungsbremse. Was ist denn auf einmal mit den Japanern los?

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Big Business braucht eine gute Strategie

Yamahas Strategie

Wie bereits erwähnt ist Yamaha im Bau akustischer Klaviere und Flügel weltweit schon seit einiger Zeit die Nummer 1. Darüber hinaus investierte der japanische Konzern 2007 in die Übernahme von Bösendorfer, den Premium-Flügelbauer aus Österreich. Beinahe unbemerkt hat die von Yamaha eingesetzte neue Geschäftsführung den Computerflügel CEUS aus dem Portfolio Bösendorfers gestrichen, um die eigene Disklavier-Plattform mit den Bösendorfer-Traditionsinstrumenten zu verbinden und aufzuwerten. Man kann die wunderbaren Bösendorfer-Pianos nun wahlweise rein akustisch oder zusätzlich ausgestattet mit der Disklavier- oder Silent-Technologie der Yamaha Corporation auswählen.

Doch das eigentliche Ziel Yamahas besteht darin, Steinway & Sons von seinem Rang auf den Konzertbühnen der Welt zu verdrängen. Um das zu erreichen, hat man in Bösendorfer investiert. Denn die Sogwirkung dieser Position ist nach wie vor weitreichend. Wer dort führend ist, dem stehen alle Türen zu den Pianisten und Musikhochschulen sowie zu allen Nachwuchs-Spielern offen – also innerhalb des bereits bestehenden Kundenspektrums einem auch in der Meinungsbildung bedeutsamen Marktanteil. Ferner geht es um sehr kostenintensive Instrumente mit völlig abgehobenen Gewinnspannen. Yamaha will seine Marktbeteiligung im Bereich des akustischen Pianos ausbauen, also innerhalb eines bereits bestehenden Marktes. Zumindest scheint das bis heute hinsichtlich des Investments logisch zu sein. Betrachtet man aber die zurück liegenden 11 Jahre, seitdem Yamaha Bösendorfer gekauft hat, so findet man keinerlei Anzeichen, die diese Vermutung eines Angriffs auf den Premiummarkt der Konzertbühnen bestätigen würden. Worin besteht also tatsächlich die Strategie des japanischen Mischkonzerns?

Yamaha hat interessanterweise gar nicht versucht, Klang und Spielart der eigenen Instrumente derart zu verbessern, um damit in die Konkurrenz zu Steinway zu gehen. Geht man davon aus, dass der japanische Konzern weiterhin auf Steinway fokussiert bleibt, dann meint man, Yamaha wählte den Umweg über einen Markennamen mit einem ähnlichen Renommee wie Steinway, nämlich Bösendorfer. Was bedeutet das in der Schlussfolgerung? Nun, Yamaha hat nicht etwa Bösendorfer als den Hersteller von wunderbar klingenden Pianos übernommen. Nein, die Japaner haben - genau wie John Paulson 2013 Steinway - lediglich das zwar alte, aber immer noch ausreichend gute Image des Premium-Flügelbauers Bösendorfer erstanden. Denn was Yamaha wirklich zu interessieren scheint, ist lediglich der Imagetransfer. Das gelingt zum Beispiel, wenn man als Freund der Klaviermusik nicht explizit mitbekommen hat, dass das österreichische Unternehmen Bösendorfer seit 2007 Eigentum des japanischen Konzerns Yamaha ist. In diesem ziemlich weit verbreiteten Fall trägt nämlich die Tatsache, dass das renommierte Unternehmen Bösendorfer die Elektronik-Komponenten des japanischen Klavierbauers Yamaha einsetzt direkt zu einer Verbesserung des Images von Yamaha bei! Das ist nun wirklich erstaunlich, denn das würde heißen, das Management des japanischen Unternehmens glaubt, dass das Image im Marketing wichtiger ist, als die Eigenschaften des Produkts. Tatsächlich ist den meisten Klavierspielern das Silent Piano mangels Werbung immer noch unbekannt. Stattdessen investiert und engagiert sich der japanische Konzern für die Zusammenarbeit mit bestimmten Künstlern. So sind Elton John und neuerdings auch das junge Talent Jacob Collier Werbepartner für Yamaha. Bei der Gelegenheit entdeckt man, dass natürlich auch die Japaner zum Beispiel bei Steinway kopiert hat: Es gibt von Yamaha ebenso eine Artist-List. Eine weitere für viele neue Seite des japanischen Musikinstrumenteherstellers sind die eigenen Klavierschulen, für die Yamaha eine eigene Musikpädagogik entwickeln ließ. Ferner hat Yamaha bei Blaskapellen einen guten Ruf, da man sich dort mittels der Finanzierung von Instrumenten zusätzlich engagiert hat. Der Mischkonzern aus Japan scheint also mit langem Atem eine Super-Strategie zu verfolgen, die im wesentlichen doch auf die Verbesserung des Images ausgerichtet sein könnte.

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Wie steht es eigentlich um die Basis, das Musizieren?

In der Krise steckt die Chance

Anfang 1900 kam es erstmals zu dem Phänomen, dass mit der so genannten Klassik, einem laut Berthold Seliger nachträglich eingeführten Label, die nicht zeitgenössische Musik überwog. Die zeitgemäße Musik wurde unangenehm zu hören. Denn im Sinne ihrer Aufgabe als musikalischer Spiegel der Zeit wurde sie zum Ausdruck der Warnungen vor den sich am Horizont der intuitiven Ahnung abzeichnenden Katastrophen des noch jungen 20. Jahrhunderts.

Aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Veränderungen im 19. Jahrhundert entstand eine neue kaufkräftige Schicht, nämlich das Bürgertum. Damit verbunden veränderte sich beim Musizieren etwas gravierend:

Hatte das Musizieren und Komponieren vorher einen elitären Charakter, so wurde das Musizieren nun zum Massenphänomen. Logischerweise wurde aber das anspruchsvolle Komponieren kein Massenphänomen. War das Musizieren vorher ein Kreativprozess, beschränkte es sich nun auf die Reproduktion des bereits Bestehenden.

So erklärt sich, warum der Hochkultur, also einem schöpferischen Zeitraum des Gestaltens und Entwickelns, um 1900 die Phase der Kultivierung der Menschen folgte. Denn das Bürgertum beschränkte sich in seinem Streben nicht darauf, Wohlstand im Sinne von Reichtum anzuhäufen, sondern man wurde von der Einstellung geleitet, dass man sich durch eine höhere Kultur von anderen unterscheiden wollte. Diese Kultur bekam man aber nicht auf dem einfachen Weg durch die Geburt oder durch Vermögen, sondern durch den angeleiteten Lernprozess, den man Erziehung nennt. Musik wurde als Erziehungsinstrument des Bürgertums benutzt, um sich Kultur anzueignen. Es gehörte zum guten Ton, dass in jedem gutbürgerlichen Haus ein Piano als eine Art Visitenkarte der Kultur stand. Wer zur besseren Schicht gehörte, bewies den Grad seiner höheren Kultur dadurch, dass er Klavier spielen konnte. Kultivierung bedeutet im Rahmen der Erziehung passend zu dem Zeitgeist Anfang 1900 Disziplinierung. Aus dem Musizieren und spielerischen Können wurde das Üben und somit ein Arbeiten. Das eröffnete nun wiederum jedermann den Zugang zum Piano. Denn man brauchte nicht mehr ein genetisch bedingtes Talent als Voraussetzung für eine künstlerische Karriere, sondern nur Einsatzbereitschaft. Grenzenloser Fleiß verbunden mit hoher Leidensfähigkeit öffnete jedermann die Türen zu den Konzertbühnen der Welt. Wir müssen daher davon ausgehen, dass wir in den Klavierkonzerten in der Regel nicht die begabtesten sondern die fleißigsten Pianisten erleben! Die neue Definition von Talent nutzte man zuerst im Osten Europas. Bekannt ist in dem Zusammenhang die so genannte Russische Klavierschule und es erklärt gleichzeitig, warum so viele (strenge) russische Klavierlehrer/innen in Deutschland tätig sind. Die auf Disziplin basierende russische Klavierschule wurde nun in Rekordzeit von einer noch mehr auf Fleiß beruhenden chinesischen Klavierschule überholt, während wir gleichzeitig im Westen gar nicht mehr die Zeit haben, um uns den umfangreichen Fingerübungen als Grundlage der klassischen Musik widmen zu können. Scheinbar zufällig vereinen sich zeitnah also ganz unterschiedliche Faktoren wie Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Militär und Kultur, in denen sich die Schwerpunkte dramatisch verschieben - und zwar alle in eine Richtung, nämlich nach Asien, denn unsere westliche Klassik erfährt in Asien höchste Wertschätzung. Wie gehen wir damit um?

Die asiatische Übermacht ist in vielen Bereichen längst offensichtlich und in weiteren Bereichen absehbar. Stellen wir uns dem Wettbewerb um die Plätze auf den Konzertbühnen? Haben wir eine Chance, den Kampf der Kulturen zu gewinnen? Nicht wirklich. Die Entwicklung ist in der Klassik (mit unserer großzügigen Hilfe) längst zu Gunsten der Asiaten gelaufen. So sind unsere Musikhochschulen seit Jahren von Asiaten überlaufen, da es für die Eltern aus Fernost interessanterweise kostengünstiger ist, ihre Kinder in Europa studieren zu lassen, als die teure Ausbildung in den Heimatländern zu finanzieren. Jeder Professor, ganz gleich von welcher Fakultät, bestätigt gerne ungefragt, dass die Studenten aus Asien wesentlich besser sind, als die aus dem Westen kommenden Studierenden. Doch die Profs können uns nicht erklären, warum das so ist - außer dass die Asiaten schlicht viel fleißiger sind. Genau das ist aber der Schlüssel. Im Westen befinden sich die meisten immer noch auf dem Kenntnisstand für Talent, der um 1900 galt, dass man nämlich mit entsprechenden Genen gesegnet sein muss, um Talent zu haben. Die Asiaten hingegen glauben an die moderne Einsicht, dass man sich nämlich lernend, mit Fleiß und Begeisterung zum Talent entwickeln kann. Dafür gibt es sogar eine ganz klare Definition des zeitlichen Rahmens, um als Talent eingestuft zu werden: Wer sich 10.000 Stunden mit etwas intensiv beschäftigt hat, dem gesteht man die Meisterstufe seines Faches zu! Auf dieser Basis erklärt sich, warum es heute allein in China schon über 50 Millionen Klavierspieler geben soll. Die Nummer 1 im Bau von Akustikpianos kommt mit Yamaha aus Japan. Wenn heute jemand einen Klavierbauer kauft, dann sind es vor allem chinesische Investoren, aber auch japanische (Yamaha) oder koreanische Kapitalanleger (Samick). Da man gegenwärtig in China einen noch offenen Markt von 30 Millionen Klavierspielern vermutet, und gleichzeitig die Märkte in Europa (8 Millionen Klaviere) und USA (10 Millionen Klaviere) als gesättigt gelten, erklärt sich, warum die verbliebenen Klavierhersteller nur eine Richtung kennen, nämlich ab nach China. Was also machen wir mit unserer Kultur? Oder anders gefragt: Was wird eine Kultur mit uns machen, die gleich mit nach Asien auswandert? Denn das wird passieren, wenn zwar die Wiege der Klassik weitgehend in Europa liegt, doch in naher Zukunft die große Mehrheit der Leistungsträger der klassischen Musik aus Asien kommen wird. Ein Weiter so wird nicht möglich sein. Uns steht das erste Mal ein kultureller Crash bevor. Damit haben wir noch keine Erfahrung. Brauchen wir ein Krisenmanagement?

Nein, wir brauchen keine Manager sondern Musiker, um die passende Antwort zu finden! Als die Musik in Europa ihre Hochkultur erlebte, waren unsere Komponisten Gestalter und die Musikinstrumentenhersteller Entwickler. Die haben heute in einem anderen Bereich immer noch ihre Hochzeit, wenn man die Begriffe ins Englische übersetzt. Dann wird nämlich aus dem Gestalter ein Designer und aus dem Entwickler der uns wohl bekannte Developer. Wenn wir also Musik wieder als ein Feld verstehen, das wir gestalten und entwickeln, dann sind wir auf dem besten Weg, die Tonkunst in eine neue Phase der Hochkultur zu führen.

Den Anfang 1900 geltenden Ansatz für Musik als ein Werkzeug zur Kultivierung des Menschen würde ich heute folgendermaßen anders formulieren und praktizieren: Musik als ein Medium, um über die Musik mit den Menschen in eine besondere Verbindung zu gelangen. Das verstehe ich als einen pädagogisch sinnvollen Ansatz, um die Musik wieder in unsere Zeit zu bringen. Denn mit der Musik ist eine hohe Motivation verbunden. Diese kann die Pädagogik nutzen, um ganz verschiedene Aspekte zu transportieren. So kann man durch die Musik lernen, kreativ zu werden, wenn man sich eben in der Gestaltung und Entwicklung übt, um letztendlich zu einem erfolgreichen Lebensweltgestalter zu werden. Musik ist darüber hinaus bestens geeignet, um Medienkompetenz zu entwickeln, wenn man die zeitgemäßen Musikwerkzeuge integriert, auf die ich noch eingehen werde. Musizieren könnte eine Möglichkeit sein, das Lernen zu lernen - und zwar nicht als einen disziplinierten Prozess, sondern als ein Experimentieren, ein Ausprobieren, ein Suchen und Finden, ein Spielen mit Variationen, ein Nutzen von Spielräumen, um den für sich besten Weg sowie im Endergebnis nicht nur eine sondern möglichst viele Lösungen finden zu können. Nebenbei führt ein derartiger Lernraum zu dem heute erwünschten wachen und sensiblen Geist des Gestaltens und Entwickelns. Um das Potenzial der Musik erkennen und in vollem Umfang nutzen zu können, lohnt sich ein Blick auf die Frage, warum wir eigentlich musizieren.

Was glauben Sie? Warum musizieren wir? Und worum geht es beim Musizieren? Lassen Sie uns dafür in unserer eigenen Entwicklung weit zurückgehen, nämlich in den Zustand, bevor wir geboren worden sind. In den 9 Monaten vor unserer Geburt haben wir eine Phase der absoluten Verbundenheit erlebt. In dieser vorgeburtlichen Lebensphase entwickelte sich eine Sensorik, die über unseren eigenen Körper hinausgeht, die also imstande ist, Ganzheitlichkeit zu erfassen. Diesen Prozess könnte man als die Entstehung von Seele definieren, einem Phänomen, das eben über unseren Körper hinausreicht und das Ganze integriert. Wir erleben später als Erwachsene das Phänomen einer über den Körper hinausreichenden Sensorik immer wieder, zum Beispiel wenn wir uns ein größeres Auto kaufen und anfangs dessen Dimensionen noch nicht richtig einschätzen können. Nach einer relativ kurzen Zeit ist das größere Auto wie ein Teil unseres Körpers integriert und wir fahren mit dem größeren Wagen genauso geschickt wie zuvor mit dem kleineren Vehikel. Diese erste Erfahrung der ganzheitlichen Verbundenheit in dem Fall mit unserer Mutter hat unsere Erwartung an das Leben geprägt: Wir wollen verbunden bleiben. Aber wir machten die Erfahrung, dass diese ideale Phase abrupt endete, nämlich als wir geboren wurden. Die Intensität der Geburt auf das frisch Geborene ist so stark, dass es die nächsten 6 Monate außergewöhnlich viel schläft, um nämlich das mit der Geburt verbundene Trauma zu verarbeiten.

Noch ohne Verstand scheint das Embryo die besondere, da ganzheitliche Verbindung zu seiner Mutter als Lebensraum erfasst zu haben. Es verunsichert uns verstandesfähige Erwachsene regelrecht, wenn wir feststellen, dass dieses Gefühlswesen vorgeburtlich schon so intelligent zu sein scheint, dass es diesen Zustand als ideal empfindet und folglich auch genießen kann, weshalb das Thema für uns nachgeburtlich weiterhin relevant bleibt. Tatsächlich sind wir in unserem späteren Leben zu einem Großteil damit beschäftigt, nach Möglichkeiten zu suchen, die unsere Ursehnsucht nach Verbundenheit erfüllen. Wir entdecken die Liebe, üben uns in Spiritualität, und finden die Musik. Die Musik? Ja, die Musik stellt sich uns als eine Möglichkeit dar, uns über das Medium der Musik emotional mit der Welt zu verbinden.

Auf dem Stand dieser Einsichten ist mittlerweile auch die moderne Wissenschaft angelangt. Die Hirnforschung hat die Bedeutung der Emotionen nicht nur erkannt, sondern auch deren Vorrang in der Evolution bewiesen, wie das 2018 erschienene Buch Im Anfang war das Gefühl des Neurologen Antonio Damasio zeigt. Wie weitreichend diese Bedeutung tatsächlich ist, können technisch orientierte Menschen an der Entwicklung ablesen, dass man lernfähigen Maschinen Emotionen einbauen will, um deren Lernprozess zu optimieren!

Und auch der moderne Musikunterricht hat inzwischen die für uns Menschen hohe Bedeutung der Emotionen erkannt. Das drückt sich am Beispiel der aktuell so vermutlich vor allem im englischsprachigen Raum unterrichteten Harmonielehre aus. Um die für die Musik wesentlichen Strukturen zu vermitteln, wird in einem ersten Schritt die Komplexität reduziert. Wie beim Sprechen lernen und dem Sprachgefühl für den intuitiv richtigen Einsatz im Sinne von Grammatik geht es beim Musik lernen darum, Musikalität im Sinne eines musikalischen Gefühls für die jeweilige Stilrichtung zu entwickeln. Dafür akzeptiert man wie beim Baby und seinen ersten Sprechversuchen Fehler im Detail zu Gunsten des Ganzen, nämlich beim Kleinkind der Übung von Kommunikation bzw. des musikalischen Stils, in dem sich der Musikeinsteiger nun schon üben kann. Mit einer technisch minimalen Basis übt man also zuerst das ganzheitliche Musikgefühl, das wir Musikalität nennen, bevor man diese Übung mit Inhalten anreichert und Musik zu seiner komplexen End-Form entwickelt. Wenn man dabei mit dem Gefühl beginnt, stellt man meiner Ansicht nach die Harmonielehre (wieder) auf die Füße. Das Ziel des neuen Musikverständnisses besteht darin, Musikern einen Raum für persönliches Wachstum zu öffnen, und sie auf diesem Weg zu fördern und zu begleiten. Aus unserem ursprünglichen Klavier-Lehrer wird daher in Zukunft ein Piano-Coach. Im folgenden Video hören Sie den Musiker, Komponist und Musikproduzent Victor Wooten in einem TEDx Talk zu dem Thema Music as a Language.

Lassen Sie uns in im nächsten Schritt die neuen Angebote der immer noch traditionellen Pianohersteller Steinway und Yamaha kritisch durchleuchten, inwiefern diese in unser neues Muster für Musik passen, bevor wir uns der Frage nach dem Next Piano zuwenden.

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Wem nutzen die neuen Silent- und Disklavier-Technlogien?

Das Menschenbild hinter den Angeboten

Aufgrund des wirtschaftlichen Erfolgs für die Klavierhersteller, der mit dem Einbau zeitgemäßer Komponenten in das Akustikpiano verbunden ist, steht dem akustischen Hybrid-Piano zweifelsfrei eine glänzende Zukunft bevor. Um den Anbietern in die neue Spur zu helfen, müssten alle Hersteller von Selbstspiel- und Silent-Technologien zuerst einmal das Menschenbild ihrer Kunden ändern. Denn die uns bislang im Akustikpiano zugestandenen Technologien werten genau genommen den Klavierspieler und somit den Menschen und seine über die Musik transportierten Emotionen ab.

Das wünschenswerte Gegenteil wäre es, wenn wir mehr Möglichkeiten zum Ausdruck der Gefühle angeboten bekämen. Diese Angebots-Optimierungs-Bemühungen würden uns nämlich umgekehrt als Musiker und unsere selbst organisierten Bestrebungen um die eigene Befindlichkeit aufwerten. Denn:

  • Im Selbstspieler steckt die Maschine, die mir sagt, dass sie besser und einfacher das Klavierspiel realisieren kann, da auf diesem Selbstspieler je nach Input die besten Pianisten zu hören sind. Gegen die kann ich nur verlieren, also höre ich mir lieber so ein Wunderkind an, anstatt mich selbst mühsam um kleine Fortschritte in der hohen Kultur der Tastenschule zu bemühen.
  • In der Silent Technologie steckt implizit die Botschaft, dass man den Klavierspieler nicht mehr hören will. Daher schaltet man das akustische Klavier stumm. Tatsächlich nennt man im Silent Piano diesen Mechanismus Stummschaltung. Statt einem mithörenden und mitfühlenden Publikum bekommt der Klavierspieler Kopfhörer auf, das heißt, man sperrt ihn ein, und er muss Sounds im Generalmidi-Modus ertragen. Zur Information: Generalmidi (übersetzt: Allgemeiner MIDI-Standard) sind 128 Sounds, also die Klänge verschiedener bekannter Instrumente und einige Percussion-Geräusche, die man in jedem billigen Keyboard geboten bekommt. Das ist klanglich unterste Qualität und längst nicht mehr zeitgemäß, was vor allem ein Anbieter wie Yamaha wissen muss, der nämlich seit 2004 Eigentümer der ursprünglich deutschen Musik-Software-Schmiede Steinberg ist. Da Yamaha diesen Standard bis heute in seinen ePianos, Keyboards und Silent Pianos verkauft, der an der Abkürzung GM für General MIDI erkennbar ist, muss man davon ausgehen, dass in dem japanischen Konzern die Betriebswirtschaftler gegenüber den Musikern das Sagen haben. Diese Einsicht lehrt uns wiederum, dass ein gutes Image noch nicht das Optimum ist. Image ist die Oberfläche. Doch Musik geht unter die Haut. Der Mensch ist ein sinnliches Wesen, ausgestattet mit einer höchst sensiblen sowie über den eigenen Körper hinaus reichenden Sensorik und Wahrnehmung. Daher bevorzugen Menschen sinnliche Angebote. Und das heißt übersetzt in die Sprache des Marketings: Höchste Qualität! Dieser Grad an Sinnlichkeit ist es, der unser Akustikpiano auszeichnet. Denn es bietet uns das Maximum beim Spielgefühl sowie den akustischen Vollwertklang, der lediglich darunter leidet, dass er in seinen Gestaltungsmöglichkeiten im Vergleich sehr eingeschränkt ist. Doch wer uns auf einem längst überholten Qualitätsniveau wie General MIDI bedient, kann nicht wirklich unser Ansprechpartner sein - obwohl man andererseits der Ansicht sein könnte, dass Yamaha die DNA der Sinnlichkeit des Marketings schon verstanden hat. Oder lieferte für das folgende Video der mit 57 Jahren viel zu früh verstorbene Musiker Prince die Inspiration?

Um herauszufinden, in welche Richtung sich Entwicklung lohnen würde, kann man eine Marktanalyse anstreben, eine Vision wagen, oder sich einfach mal umsehen, was es schon gibt. Begleiten Sie mich auch im nächsten Kapitel, um eine in die Zeit passende Marketingstrategie zu finden.

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Wie sieht nun das Klavier der Zukunft aus - und was kann es alles?

Next Piano: Der technische Stand 2018

Prophet X. Was für ein Produktname. Zum ersten Mal kann man ihn im Juni 2018 kaufen: Den Hybrid-Synthesizer Prophet X von Dave Smith. Ist dieses Instrument vielleicht die Endstufe der zeitgemäßen Entwicklung unseres Akustikpianos?

Wer meine Homepage übers Hybrid-Piano kennt, der weiß, dass es nicht nur eine Lösung für das Hybrid-Piano gibt, sondern ganz unterschiedliche Versionen vorstellbar sind und auch schon existieren. So gibt es zum Beispiel

  • das akustische Hybrid-Piano sowie
  • das digitale Hybrid-Piano.

Die Kategorie Hybrid bezieht sich einmal auf die Mixtur an analogen Klängen und digitalen Sounds, und das andere Mal auf eine analoge Mechanik in einem klanglich rein digitalen Piano. Worauf bezieht sich bei dem Hybrid Synth Prophet X die Kategorie Hybrid?

Der Prophet X vereint einen mehrstimmigen Synthesizer (Synth) sowie eine riesige Sample-Bibliothek. Ein länger gehegter Traum wird real, wenn man heute analoge Sounds mit dem Synthesizer bearbeiten kann. Wenn wir auch bei diesem vergleichsweise jungen Instrument feststellen, Synth goes hybrid, dann kommt unterschwellig Freude auf, denn es lichtet sich der Nebel. Auf der Suche nach Orientierung kristallisiert sich die hybride Lösung heraus, da man zunehmend das gigantische Potenzial der neuen Möglichkeiten auf der Basis eines hohen Niveaus erkennt. Wer Mehrwert sucht, findet Hybrid. Das betrifft gleichermaßen Musiker wie Hersteller. Wir haben für den neuen Klang bereits einen Namen, es handelt sich um den sinnlichen Mehrwert für unsere Ohren, nämlich die Hybridsounds! Das ist eine neue Dimension des Klangs:

  • Originalklänge mit natürlichen oder synthetischen Effekten.
  • Originalklänge gemischt mit digitalen Sounds.
  • Originalklänge synthetisch verändert.

Mit dem Prophet X Synth kann man sogar eigene Samples erstellen und mit nur einem Knopfdruck anwenden.

Zwischen unserem Akustikpiano und dem Prophet X klafft eine riesige Lücke. Absturzgefahr! Wie gelangen wir aus der Vergangenheit in die Zukunft? Natürlich über die Gegenwart als Brücke. Wie sieht sie aus, unsere Gegenwart? Nun, Next Piano könnte die Kombination aus unserem Piano und dem inzwischen neuen und mit 76 Tasten fast schon über den Tonumfang des Klaviers verfügenden Prophet XL sein, wenn unser Piano ein Flügel ist, und man auf dem Vorderdeckel den Prophet XL als zweites Manual ablegen kann. Next Piano könnte aber auch die Integration der zeitgemäßen Möglichkeiten, also

  • der Midifizierung unseres Akustikpianos,
  • die Ausstattung mit Sensortasten für Effekte mittels
  • dem neuen Standard MIDI Polyphonic Expression (MPE), und
  • dem Anschluss an eine Digital Work Station (DAW) auf dem Notebook

sein, um Hybridsounds sowie auf Tasteninstrumenten erstmals Effekte direkt über die Fingerbewegungen auf der Taste realisieren zu können. Über Plugins in der DAW bekommen wir dann sowohl die Sample-Bibliothek als auch den Synthesizer in unser akustisches Hybrid-Piano transferiert. Und während wir Klavierbesitzer uns über die Nachrüstmöglichkeiten unseres Akustikpianos informieren, sollten sich Klavierhersteller mit neuen interessanten Variationen des Hybrid-Pianos als Neukauf beschäftigen. Denn so könnte man nicht nur einen bereits tot gesagten, da gesättigten Markt wieder reanimieren, sondern auf der Basis eines so initiierten positiven Geistes Musiker zu einer neuen Hochkultur inspirieren. Das wäre dann gleichzeitig die passende Antwort auf die von rückschrittlichen Politikern initiierten Einschränkungen durch das neue EU-Urheberrecht. Denn diese nötigt uns regelrecht auf den Weg zu selbst gemachten Produkten, wenn wir uns den zu erwartenden Ärger mit Anwälten ersparen wollen - und das wollen wir ganz bestimmt! Mit anderen Worten: Mit den richtigen zeitgemäßen Werkzeugen werde wir mit großer Lust und Freude unsere Umwelt frei von jeglichen Kopien gestalten. Damit erhalten wir einen starken Kreativitätsschub, für den diese Kategorie von Volksvertretern garantiert nicht verantwortlich sein wollte...

SynthPiano

Der Traum vom akustischen Hybrid-Piano konkretisiert die Zukunft. Dazu passt die Idee vom mehrmanualigen Piano. Und zwar selbstverständlich mit dem Ziel, über zwei voneinander getrennte Bedienoberflächen mit zwei unterschiedlichen Klangmustern spielen zu können! Diese Idee ist keine irrationale Sehnsucht, sondern sie basiert auf historischen Wurzeln, die Ihnen sicher bestens bekannt sind. Mehrere Manuale sind zum Beispiel an der Orgel seit Jahrhunderten eine Selbstverständlichkeit. Nicht jeder weiß, dass es auch Cembali mit zwei Manualen gab. Mehrere Manuale ermöglichen es, die Klangmuster schnell zu wechseln. Lernen Sie im Folgenden einen herausragenden modernen Musiker an einer selbst konstruierten Orgel näher kennen:

Cameron Carpenter ist Organist im Stile eines ausgebildeten Tänzers, der an der Juilliard School in New York studierte. Sein Instrument ist genau genommen mehr als eine Orgel, denn es verfügt einem Cockpit gleich über 5 Manuale, zusätzlich ein Pedalwerk für das Spiel mit den Füßen sowie darüber hinaus auch noch 5 Pedale zum Beispiel für die differenzierte Gestaltung der Lautstärke - und unzählige Register für die Sounds. Er tanzt nicht nur die Orgel mit seinen Füßen, sondern verfügt auch über ein für Klavierspieler außergewöhnliches Spiel der Hände. Denn er bedient häufig mit einer Hand gleichzeitig zwei Manuale! Sehen und hören Sie, wie Cameron Carpenter Johann Sebastian Bachs Goldberg Variationen live interpretiert:

Die Kombination verschiedener Keyboards und somit auch eines Akustikpianos mit einem Synthesizer wird heute schon praktiziert. Doch realistisch im Sinne von praxistauglich ist diese Lösung nur, wenn die beiden Instrumente so zueinander positioniert werden können, als wären es in einem Instrument zwei Manuale wie das zum Beispiel in der mehrmanualigen Orgel oder dem mehrmanualigem Cembalo der Fall ist. Bei unserem Akustikpiano kommt also nur der Flügel dafür in Frage. Das schränkt diese Lösung zu Hause massiv ein, da der Flügel in Privatwohnungen relativ selten ist. Im folgenden Video sehen und hören Sie die Interpretation des Songs Spain (Chick Corea) des Musikers Cory Henry gespielt auf einem akustischen Flügel sowie auf einem Minimoog-Synthesizer 2014 live aufgenommen.

Um die ziemlich neue und weitreichende Idee von einem zweimanualigen Synth Piano auf eine solide Basis zu stellen, bräuchten wir ein extra für diesen Zweck konstruiertes Kleinklavier, das dem Synth eine sichere Unterlage bietet und gleichzeitig die beiden Klaviaturen räumlich nah positioniert. Die kleinsten Kleinklaviere sind die so genannten Tischklaviere. Sie verfügen über eine Untermechanik. Das heißt, der Hammer schlägt auf der Höhe der Tasten die Saiten an. Das ist bislang eine suboptimale Lösung, da man bei technischen Unzulänglichkeiten innerhalb der Mechanik in der Regel ein echtes Problem bekommt. Aus diesem Grund habe ich mich bislang dazu auch immer relativ kritisch geäußert. Doch nun würden sich ja die Paradigmen ändern. Es geht um Entwicklung und damit im Zusammenhang um das Ermöglichen einer höchst interessanten Lösung, nämlich das Spiel nicht nur auf einem mehrmanualigem Keyboard mit unterschiedlichem Leistungsumfang je Manual, sondern zusätzlich um den akustischen Piano-Vollwert-Klang im unteren Manual. Das folgende Video lässt die räumliche Problematik der Lösung mittels Untermechanik erahnen:

Trotz dieser bekannten Probleme gab es vor ein paar Jahren von Pleyel und Peugeot ein französisches Design-Piano namens Genesis, das genau diese Technik einsetzte. Es handelte sich interessanterweise gar nicht um ein Kleinstklavier, sondern um einen Flügel. Der Grund für die Wahl einer Untermechanik war, dass man dadurch die Tastenebene auf die Höhe der Saitenebene anheben konnte. Wie man heute von den massenhaften Video-Tutorials für Klavierspieler (laut Youtube 22,6 Millionen im Jahr 2018) ganz selbstverständlich weiß, ist der Einblick in das komplexe beidhändige 10-Finger-Spiel auf der Klaviatur ein echter Mehrwert-Faktor! Somit würde man in Klavierkonzerten zumindest auf diesem Flügel gewährleisten, dass das Publikum von jeder Position im Konzertsaal die Hände des Pianisten sehen kann.

Man müsste sich also noch einmal mit der Optimierung der Untermechanik beschäftigen, um Klaviere herstellen zu können, die für eine realistische Kombination aus zwei verschiedenen Tasteninstrumenten geeignet sind, wenn man diese aufgeteilte da zweimanualige Lösung gegenüber dem ganzheitlichen Konzept im Hybrid-Piano mit lediglich einem Manual bevorzugt. Das dürfte dann der Fall sein, wenn man über zwei verschiedene Manuale auch ganz unterschiedliche Klangmuster spielen möchte, was bei einer aufgeteilten Klaviatur häufig nur eingeschränkt möglich ist. Die Aufteilung innerhalb einer Klaviatur dürfte bei unserem Hybrid-Piano mit zwei unterschiedlichen Klangquellen ein zusätzliches Problem ergeben, wenn man zum Beispiel in einem Bereich der Klaviatur den akustischen Grundklang abschalten möchte. Dieses Problem löst der am Anfang dieses Kapitels vorgestellte Hybrid Synth Prophet X durch einen so genannten Sequenzer, also eine funktionelle Einheit, die laut Übersetzung etwas in eine Reihenfolge bringt, um es dann in einer Schleife (Loop) beliebig wiederholen zu können. Über diesen Sequenzer müsste man ebenso beliebige Melodiefolgen als schnell abrufbare Grundmuster vorweg speichern können, die uns variabel abrufbar mit noch vielfältigeren Mustern spielen lassen, um so unsere Flexibilität in der musikalischen Gestaltung zu verbessern. Denn das Ziel besteht darin, über diesen Grundmustern, die in beliebig oft sich wiederholenden Schleifen (Loops) ablaufen, live eine Melodiestimme spielen zu können. Dieser für uns Klavierspieler neue Umgang mit Mustern im Rahmen von flexibel steuerbaren Schleifen erscheint mir vor allem für die Suche nach einem Weg von besonderem Interesse, der uns den Zugang zum flexiblen Umgang mit Tönen als Elemente der musikalischen Gestaltung öffnet, der uns animiert, ganzheitlich angelegt ist, und uns spielerisch experimentell damit umgehen lässt. Fehler sind auf diesem Weg, die notwendige Erfahrung zu sammeln, lediglich eine Variante, da ja schon die nächste Schleife die Möglichkeit bietet, die Tonfolge anders im Sinne von neu gestalten zu können.

In dem nun folgenden Video erfahren Sie etwas von dem Designobjekt Genesis aus der französischen Kooperation zwischen einem Klavier- und einem Autobauer. In dem Video wird Französisch gesprochen. Sie können rechts unten in dem Youtube-Player durch Anklicken mit der linken Maustaste von Einstellungen sowie Untertitel automatisch und dann müssen Sie noch die Sprache auswählen.

Kehren wir wieder zurück zum Prophet X, dem Hybrid Synth. Er hat etwas mit unserem Pianoforte gemeinsam, nämlich Samples von Pianos, unter anderem einen recht schönen romantischen Klang eines Steinway von 1928, also aus einer Zeit, als Steinway im Sinne meiner Marken-Definition noch ein Steinway, da noch im Besitz der Familie Steinway war.

Dave Smith erzählt in einem Interview des Musiker-Magazins Amazona.de über den neuen Prophet X, dass er selbst zu Hause einen schönen Flügel stehen hat. Er schwärmt regelrecht von dem Charakter dieses analogen Instruments. Genau darauf liegt in seinen Augen der Unterschied zwischen den von ihm entworfenen Synthesizern und einer Workstation am Computer. Fader und Drehregler als fühlbare Anfasser lassen uns das Instrument zusätzlich zur Klaviatur wertvoller, da sinnlicher erleben, als wenn wir unseren Computer mit der Maus bedienen. Der Synth bekommt so mehr Charakter, eine Eigenschaft, von der ich häufig von meinem Kunden höre, die diese ihrem Akustikpiano zugestehen. Das hat vermutlich etwas damit zu tun, dass wir unsere Umgebung physisch erleben müssen, um sie als authentisch wahrnehmen zu können. Charakter der Hardware ist ein Echtheitsnachweis und somit eine Mehrwert-Eigenschaft, die wir selbst scheinbar leblosen Dingen zugestehen.

In dem soeben erwähnten Interview bekommt man vom Erfinder des Prophet X alle Besonderheiten des neuen Hybrid-Synthesizers erklärt und erlebt sich dabei als Besucher eines anderen Universums, wenn man aus der Klavierwelt kommt. Denn es geht um Oszillatoren und Filter, die auf Samples angewandt werden. Das ist das Wissen und Handwerkszeug, das man in Zukunft benötigt, wenn man eigene Klänge kreieren will. Instrumente werden nicht mehr über nur ein Klangmuster sondern über unzählig viele Klang- und Effektmöglichkeiten verfügen. Das wird sich auf die Musik derart auswirken, dass neue Stücke mit nur einem Klangmuster auf dem Hauptinstrument seltener werden. Mit den neuen digitalen Möglichkeiten bekommen wir das Werkzeug an die Hand, damit sich der Klang dem jeweiligen Kontext des Stücks anpassen kann. Klang wird somit wie die Sprachmelodie eine größere Rolle im Ausdruck spielen. Um mit der so möglichen Klangvielfalt umgehen zu können, gibt es aktuell Ergänzungen zu den Instrumenten wie Step- und Pattern-Sequenzer. In diesen gar nicht mehr so neuen Tools kann man Tonfolgen und Klangmuster vorprogrammieren, um diese Muster und Sequenzen über einen Tastendruck abrufen zu können. Wer sich dafür interessiert, wie man so einen Sequenzer einrichtet, der findet bei Ableton eine detaillierte Anleitung in Textform mit Videounterstützung.

Wie auf diesem Weg Musik entsteht, demonstriert die Multiinstrumentalistin Neon Vines in einer musikalisch relativ einfachen Version, technologisch jedoch komplexen Form im folgenden Video. Darin kann man nebenbei sehen und hören, dass die Künstlerin sogar schon imstande ist, ihre Performance körpersprachlich zu optimieren. Der so entstehende Charakter einer Show lässt uns als Publikum während der Präsentation all der Gerätschaften entspannt sein, was die Wirkung zu einem Erlebnis werden lässt. Ein Erlebnis zeichnet sich dadurch aus, dass uns der konkrete Inhalt unter die Haut geht und das so erzeugte Gefühl gemeinsam mit dem Inhalt gespeichert wird. Im Idealfall wird ein positives Gefühl erzeugt und somit der Inhalt positiv besetzt. Die Inhalte, also die verwendeten neuen Musikwerkzeuge, will ich Ihnen anschließend kurz vorstellen, um Ihnen auf Ihrer interessierten Reise aus der Klavierwelt kommend im neuen Universum der digitalen Möglichkeiten eine solide Orientierung zu ermöglichen:

Für die Klangsynthese verwendet Neon Vines in dieser Aufnahme von dem japanischen Hersteller Roland den Synthesizer JD-Xi mit eingebautem Pattern Sequenzer und Vocal FX (= FX steht für Effects, hier sind also Vocal Effects gemeint, ähnlich dem Vocoder). Ferner benutzt sie von dem japanischen Unternehmen Akai den APC40 Ableton Performance Controller (Testbericht des Musikermagazins Amazona.de), den USB MIDI Pad und Controller MPD218 sowie vom gleichen Unternehmen den Laptop Pad Controller LPD8 (Testbericht der Zeitschrift für Musiker Amazona.de). Die Controller setzt die Musikerin ein, um in Zusammenarbeit mit einer Digital Audio Workstation (DAW) auf dem Laptop Sounds und Tonfolgen abrufen zu können. Eine DAW ist eine komplexes Softwareprogramm zur Bearbeitung von Musik. Darüber hinaus werden Sequenzer beim so genannten Looping eingesetzt. Es werden Musiksequenzen live eingespielt und von den Geräten wiederholt. Mittels des so genannten Overdubbings (Einfügen) kann man bereits bestehende Loops durch weitere Einspielungen ergänzen. So entstehen live immer komplexere Muster, die sich an- und abschalten lassen. Moderne Loop-Stations (Testbericht mit Videos von dem Musikerportal Amazona.de) eröffnen vor allem der Live-Musik neue, komplexe Möglichkeiten und sind unter anderem die technische Basis dafür, dass Musiker wie Jacob Collier auf der Bühne alleine eine ganze Band darstellen können. Unsere Musikerin aus diesem Video, Neon Vines, setzt auf dem Laptop Ableton Live ein, das eine der auf dem Markt erhältlichen Digital Audio Workstations (DAW) mit Schwerpunkt auf der Live-Performance ist. Wir erleben in dem Beispielvideo somit eine zeitgemäße Kombination von Soft- und Hardware sowie von verschiedenen Instrumenten, denn neben dem Synthesizer von Roland sehen und hören Sie in dem Video auch noch das Seaboard von dem englischen Unternehmen Roli, auf dem Sie dank dem neuen Musiksoftware-Standard MIDI Polyphonic Expression (MPE) bislang unvorstellbar 5-dimensional spielen und somit auch Effekte auf einer Klaviatur erzeugen können, die bis dato nur Sängern, Bläsern und Streichern vorbehalten waren.

Nun reiben Sie sich möglicherweise die Augen. Denn was ich Ihnen in diesem Kapitel vorgestellt habe, ist nicht gerade wenig Maschine. Das ist richtig. Der Unterschied besteht darin, dass uns dieser Einsatz von Technologien völlig neue Zugänge zur Musik sowie ein neues Spektrum an Möglichkeiten innerhalb der Musik öffnet. Damit erweitert hier der Einsatz von Maschine meinen Handlungsspielraum und ermöglicht schnelleren Erfolg. Natürlich nimmt mir ein Pad-Controller etwas ab, aber nur, wenn ich das möchte. Andernfalls kann ich die Sequenzen auch selbst spielen und die Klangmuster live justieren, wie man im Live-Einsatz zum Beispiel bei Cory Henry im folgenden Video sehen und erleben kann.

Und was haben wir jetzt erfahren? Die Klavierindustrie gesteht uns zusätzlich zum Akustikpiano bislang lediglich eine Technologie zu, die die Entfaltung unserer Potenziale eher unterdrückt als unterstützt. Die für die Musik sowie für die Entwicklung unserer Kreativität wirklich reizvollen Erweiterungen des Bestehenden werden nicht einmal in Form des Hybrid-Pianos forciert entwickelt, integriert und vermarktet. Lediglich Kawai und Yamaha haben ein akustisches Hybrid-Piano im Angebot. Kawais Modell kann immerhin schon Samples abspielen, Yamahas Hybridversion ist dagegen immer noch mit General MIDI ausgestattet. An den deutschen Herstellern geht diese Entwicklung und somit die Bemühungen, über die neuen Mehrwerte Kunden zu gewinnen, völlig vorbei. Das Fortschrittlichste ist von Bechstein zu berichten, nämlich die Eigenentwicklung einer Stummschaltung namens Vario aus dem Jahr 2012, 25 Jahre nachdem das Silent Piano von Yamaha eingeführt worden ist. Bei den deutschen Klavierbauern gibt es immer noch kein Next Piano. Man bleibt weiterhin auf dem technischen Stand von 1870 stehen und betreibt das Geschäft nach dem Motto: Mitmachen, solange es noch läuft und auf weitere Wunder hoffen!

Seltsamerweise übersehen vor allem die Hersteller von Akustikpianos die gigantischen Chancen unmittelbar vor ihren Augen, nämlich einen aktuell regelrecht aufbrechenden neuen Markt mit den großartigen Möglichkeiten der Hybrid-Pianos, und hier eben aufgrund des zögerlichen Verhaltens des Marktführers Yamaha die seltene Gelegenheit, sich selbst mit entsprechenden Innovationen als die Klaviermarke der Zukunft präsentieren zu können! Unsere Klavierbauer sollten die richtigen Ansprechpartner sein, denn das Thema ist der ihnen angestammte Bereich des akustischen Hybrid-Pianos, von dem Musiker tatsächlich schon seit Generationen träumen. Was, Sie glauben nicht, dass Musiker schon seit vielen Jahrhunderten von grenzüberschreitenden neuen Möglichkeiten und somit von einer Erweiterung ihres musikalischen Spielraums träumen? Dann werden Sie die folgenden Informationen sicher interessieren:

Streichklavier von Leonardo da Vinci
  • Leonardo da Vinci (1452 - 1519) konstruierte circa 1470 ein Streichklavier, also ein Tasteninstrument mit Streicherklängen, das schon zur Intonation imstande war. Moment mal, was reizte Leonardo da Vinci, ein zur Intonation fähiges Tasteninstrument mit Streicherklängen zu konstruieren? Das Spiel auf einem Tasteninstrument erlaubt über die Beidhändigkeit und somit den Einsatz aller 10 Finger eine hohe Komplexität des Musizierens. Mit den Streicherklängen würde man dieser komplexen Spielweise ein neues Klangmuster zugänglich machen. Das würde exakt dem MEM der Hersteller von Tasteninstrumenten entsprechen, das Leonardo da Vinci offensichtlich bereits verstanden und verinnerlicht hatte. Denn für das Genie bestand ein besonderer Reiz darin, die für Tasteninstrumente typische Einschränkung zu überschreiten, indem er nicht nur einen neuen Klang ermöglichte, sondern darüber hinaus die zu diesem neuen Klangmuster passende Intonation integrierte. Gell, diesen Satz müssen Sie noch einmal lesen. Denn was dort steht, scheint Ihnen geradezu unglaublich zu sein: ...die für Tasteninstrumente typische Einschränkung... bedeutet, dass man sich auf einer Klaviatur eben nur in festgelegten Tonschritten durch den Tonraum der Musik bewegen kann. Zwischentöne, die man Mikrotonie nennt, und die auch die Feinabstufung von Intervallen betrifft, oder fließende Übergänge von einem Ton zum nächsten oder gleich zu übernächsten Ton waren selbstverständlich unmöglich. Doch das Feintuning der Intervalle darf man als Musiker nicht an den Klavierstimmer delegieren, sondern man muss darum kämpfen, darüber die Gestaltungs-Hoheit zu erlangen, indem man eben auch am Tasteninstrument intonieren kann. Sensible Musiker empfanden den Mangel der freien Gestaltung der Tonhöhe am Tasteninstrument offensichtlich schon immer als eine ganz wesentliche Einschränkung ihrer Ausdrucksmöglichkeiten. Die Kraft der Musik liegt im Erzeugen von Stimmungen. Durch die geringfügige Erweiterung des Abstandes zwischen den Tönen eines somit erweiterten Intervalls wird die die innere Spannkraft der Zuhörer erhöht. Umgekehrt bewirken etwas enger gespielte Intervalle, ein Sinken der Spannkraft, im Extremfall ein körperliches In-sich-Zusammensinken. Und da die Körperspannung Ausdruck einer inneren Haltung ist, wird unsere Stimmung vom Spiel mit fein abgestuften Intervallen unmittelbar betroffen. Diese Gestaltungsmöglichkeiten des musikalischen Ausdrucks, diese Feinabstufung, ja man könnte sagen diese Fein(ab)stimmung fehlen den Tasteninstrumenten. Daher wählte Leonardo da Vinci dieses umfangreiche Paket an Eigenschaften für das neue Instrument, das er entwerfen wollte, um das damals am Tasteninstrument Unmögliche möglich zu machen. Das Optimale anzustreben, war seine ganz persönliche Herausforderung.
    • So stelle ich mir das idealistisch vor. Aber: Leonardo da Vinci konnte von all dem Geschriebenen noch nichts gewusst haben. Denn die ersten, noch sehr einfachen Tasteninstrumente hatte man gerade im 13. Jahrhundert erfunden. Wir befinden uns zu Lebzeiten von Leonardo im Mittelalter. Es gab Violinen, Blockflöten, Gamben, verschiedene Blasinstrumente und Lauten. Bislang wurde vor allem gesungen. Die Instrumentalmusik begann sich gerade gemeinsam mit der Mehrstimmigkeit zu entwickeln. Die Orgel etablierte sich derzeit in der Kirchenmusik. Konkret wurden im 15. Jahrhundert die ersten Orgeln mit einem Manual, also mit Tasten gebaut. In der Musik der an das Mittelalter anschließenden Renaissance wurden erstmals Terzen und Sexten als konsonant empfunden. Von Dur- und Moll-Tonalität war man aber zeitlich noch weit entfernt. Das Universalgenie Leonardo da Vinci muss also weitgehend einer Vision gefolgt sein, als er das Streichklavier konstruierte. Es existierten nicht wie heute eine Vielzahl an Vorbildern mit ganz unterschiedlichen Klangmustern als Grundlage seiner Orientierung. Darüber hinaus konnte er noch nicht auf 300 Jahre Klaviermusik zurückblicken und aufgrund der in dieser Zeit erbrachten Höchstleistungen Schlussfolgerungen zu den Leistungen der Klaviatur auf der Basis von Einsichten der Hirnforschung ziehen. Seine Version eines Tasteninstruments als Streichklavier war der Vorreiter für nachfolgende Tasteninstrumente. Als Erfinder/Entwickler hatte er den Mut, mit seinen Gedanken ein bislang weitgehend offenes Thema zu gestalten. Hätte er seine Erfindung nachfolgend auch realisiert und entsprechend den Möglichkeiten seiner Zeit publiziert und vermarktet, wäre sie bestimmt nicht wieder in Vergessenheit geraten, sondern hätte nachfolgende Entwicklungen beeinflusst.
  • Das heißt, der Traum vom Überschreiten der bestehenden Grenzen des Tonraums am Tasteninstrument mittels der Intonation einzelner Töne ist älter als die Entdeckung der Wohltemperierten Stimmungen (ab 1681) durch Andreas Werckmeister (1645 - 1706). Und auch die Entwicklung der musikalischen Stimmungen orientierte sich an der Erweiterung der jeweils aktuellen Möglichkeiten, nämlich an der Erweiterung des Tonraums. Das Ziel der neuen Stimmungen, also zuerst der Wohltemperierten und dann der Gleichtemperierten Stimmung, war es, den zur Verfügungen stehenden Tonraum zu erweitern. Bei den Wohltemperierten Stimmungen ging es konkret darum, alle theoretisch zur Verfügung stehenden Intervalle auch in der Praxis spielen zu können. Diesem Gedanken folgte man rund 200 Jahre später, als man den nächsten Schritt hin zur Gleichtemperierten Stimmung ging, die erstmals den freien Wechsel der Tonarten ermöglichte und somit erneut den tonalen Gestaltungsraum erweiterte.
  • Pianomania - ein Werbefilm fürs Hybrid-Piano
  • Johann Sebastian Bach (1685 - 1750) schrieb 1740 - 1749 die Kunst der Fuge, die laut dem Pianisten Pierre-Laurent Aimard sowie seiner Kollegen anstatt wie üblich für einen Instrumentenklang für mehrere und klanglich verschiedene Instrumente komponiert worden sei, um eben das Spektrum des Klangs integrieren zu können. Für den WerbeFilm Pianomania wurde die Aufzeichnung der Kunst der Fuge zum Drehbuch. Wie schon angedeutet handelt sich um einen WerbeFilm, denn Pianomania ist in das WerbeFormat verpackt, das man Paid Media nennt, das ich Ihnen bereits oben am Beispiel der Videos von Neon Vines erläutert habe. Wer diesen Film gesehen hat, war seltsam berührt, als die Hauptdarsteller versuchten, den großen Konzertflügel von Steinway, Modell D, einmal wie ein Clavichord, dann wie ein Cembalo und schließlich wie eine Orgel klingen zu lassen. Unterschwellig stellte sich beim Verlassen des Kinos der Eindruck ein, dass man gerade eine Werbung für das Hybrid-Piano gesehen und gehört hatte, nachdem sich offensichtlich bereits Bach gesehnt haben muss, da er dieses Bedürfnis in der unvollendeten Kunst der Fuge zum Ausdruck gebracht hat (Bach erblindete vor der Fertigstellung und er starb ein halbes Jahr später). Der Untertitel des Films Pianomania bestätigt diese Tendenz in der Bedürfnisentwicklung jedes an die Grenzen seiner Zeit gehenden Musikers, denn er lautet: Die Suche nach dem perfekten Klang. Nun, der perfekte Klang ist eben nicht ein einziger Klang, sondern Klangvielfalt, die man im Kontext zur musikalischen Geschichte, einsetzt, um die jeweilige emotionale Befindlichkeit noch genauer als bislang möglich ansprechen und ausdrücken zu können.
    • Wenn man zusätzlich zu den bereits vorhandenen Elementen der Musik als Sprache für ein Tasteninstrument Klangvielfalt sowie Effekte erhält, so optimiert das die Wirkung von Musik. Worum geht es bei Musik? Um die Sprache der Gefühle. Das heißt, Gefühle und Befindlichkeiten sollen ausgedrückt und beim Zuhörer als Resonanz angesprochen werden. Anders formuliert: Musik soll unter die Haut gehen! Die Effizienz dieser Bemühung steigt erheblich, wenn man über den Klang als eine variable Ausdrucksmöglichkeit verfügt. Das bedeutet, aus Sicht der Kommunikationstheorie steigt die Redundanz, sich über die Musik auf eine gemeinsame und somit verbindende Stimmung einschwingen zu können.
    • Das Piano besitzt aufgrund der genialen Bedienoberfläche der Klaviatur und der damit verbundenen Möglichkeit zum komplexen 10-Finger-Spiel bereits eine Sonderstellung, da man mit diesem Instrument ohne die Hilfe weiterer Instrumente Werke eines größeren oder kleineren Orchesters spielen kann. Aus diesem Grund wurde das Piano einstmals zum bevorzugten Instrument für Alleinunterhalter. Zu Zeiten des Stummfilms wurde die ganze Filmmusik über ein Piano gespielt. Das Klavierkonzert entwickelte sich zu einer gleichwertigen Alternative zum Orchesterkonzert - und es verdrängte bereits zur Zeit von Johann Sebastian Bach das Violinkonzert. Der Pianist wurde folglich zu einem besonderen Musiker-Star der Bühne. Aber das Orchester bot im Vergleich zum Piano aufgrund der Vielfalt der Instrumente einfach mehr Klang. Die nun über das Hybrid-Piano in seinen unterschiedlichen Varianten mögliche Verfügbarkeit von Klangvielfalt bedeutet für den Piano-Spieler den endgültigen Aufstieg als Einzelmusiker in der Wertigkeit eines Orchesters, über das er nun ohne Dirigent verfügt. Wir wissen heute, dass das Spiel mit dem Klang schon zu der Zeit möglich und legitim war, in der es ausschließlich akustische Instrumente gab. Aber es war eben ein Privileg des Orchesters bzw. das Privileg eines besonderen Instruments, das die Kirchenmusik für sich in Anspruch nahm, nämlich der Orgel. Das heißt: Wer damals mit Klang spielen wollte, musste seine Rolle vom Musiker zum Komponist verwandeln. Denn dem Komponisten war es erlaubt, Klänge beliebig zu konstruieren, und somit quasi mit Klängen zu spielen. Mit der Entwicklung des Hybrid-Pianos findet für Musiker ein Quantensprung statt, nach dem sich bereits musikalische Genies wie Johann Sebastian Bach gesehnt haben, ohne dies so ausdrücklich formulieren zu können. Und erneut darf man fragen: Worum geht es eigentlich? Welche Intention steht hinter der technischen Entwicklung? Im Grunde geht es um das Empowerment der Musiker und der Musik und damit verbunden eben um unser Menschenbild. Denn Empowerment ist Ausdruck höchster Wertschätzung des Menschen, dem man Eigenbestimmtheit und Selbstorganisation nicht nur zugesteht, sondern ihn dazu befähigen will, hier konkret, indem man ihm das entsprechende Musikwerkzeug anbietet, das seinen Spielraum derart erweitert, dass er zu seinem ganz persönlichen Quantensprung imstande ist!

Alle musiksensiblen Menschen mit dem starken Bedürfnis, ihre Gefühle entsprechend der vielfältigen und komplexen Struktur der Emotionen ausdrücken zu können, werden mangels reichhaltig ausgestatteter akustischer Hybrid-Alternativen zu den rein digitalen Lösungen bzw. den digitalen Hybrid-Pianos gedrängt. Die Tatsache, dass die Hersteller von Akustikpianos aus dem Westen nicht den mittlerweile unübersehbaren Ball der Akustik-Hybrid-Pianos aufgreifen, legt den Verdacht nahe, dass ausgerechnet unsere Klavierbauer den angeblich so hohen Wert des Analogen schon länger nicht mehr ausreichend wertschätzen und sich gleichzeitig selbst keinerlei Entwicklung mehr zutrauen. Was dieser Markt ganz offensichtlich dringend nötig hat, sind externe Kräfte, die die riesigen Lücken im Angebot als Chance verstehen und im Interesse der Musik sowie der musiksensiblen Menschen offensiv ergreifen. Anders formuliert: Die bekannten Klaviermarken hatten eine großartige Vergangenheit. Dort sind sie hängengeblieben und daher mangelt es Ihnen an Zukunftstauglichkeit. Die neuen Vorbilder sind David Klavins mit dem bereits von mir vorgestellten Una-Corda-Piano, das er nun fit für die Zukunft machen will, wenn er es nicht nur mit Tonabnehmern unter den Saiten, sondern mit einer Midifizierung, der digitalen Schnittstelle zwischen Musikinstrument und Software, Samples und Touchkeys ausstatten will. Hier ist er dem Erfinder Mario Aiwasian mit seinen wunderbaren Alpha-Pianos einen wesentlichen Schritt voraus, nämlich wie man das Piano durch die Ausstattung mit den zeitgemäßen Leistungsmerkmalen in unsere Zeit holt.

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Aber: Müssen wir die Musik nun auch neu erfinden?

Spiel-T-Raum

Apropos Spielraum

Natürlich müssen Sie die Musik nicht neu erfinden, nur weil es neue Musikwerkzeuge gibt! Trotzdem stellt sich vor allem den Klavierspielern die Frage, wie man nun mit der neuen Vielfalt umgehen soll. Wir wissen, dass man Neues nur an bereits Bekanntes anknüpfen kann, wenn Veränderung ökonomisch im Sinne von harmonisch geschehen soll. Also integrieren wir einfach die neuen Möglichkeiten in das Bestehende. Und am besten gehen wir in kleinen Schritten vor. Doch was heißt das konkret?

Da nun verschiedene Klänge zur Verfügung stehen, spielen wir einfach mal damit. Wir stellen unterschiedliche Klänge ein und spielen unsere bekannten Stücke. Die bereits gelernten Werke wirken je nach Klang anders. Daher spielen wir sie auch dem Klang angepasst, leicht verändert gegenüber dem gewohnten Klavierklang. Über die Variation der Klangmuster wird somit unser bereits bekanntes Stück im Gehirn vielfältig vernetzt. Vielfältige Vernetzung? Ist das nicht das Ziel des optimalen Lernens? Ja genau. Wenn man ein Stück neu lernt, dann heißt es, man muss es üben, und man meint damit, dass man es wiederholen müsse, um muskuläre Abläufe zu verfeinern und zu speichern. Gestaltet man die Wiederholung ohne Variation, dann ist die Wiederholung des Immer-gleichen monoton. Das heißt, unser Gehirn langweilt sich. Diese relativ leblose Form des musikalischen Trainings taugt vor allem für die Disziplin, nicht aber für die Lebensfreude. Folglich werden mit derartig monotonen Technik-Übungen lediglich Gefühle des Aushaltens und Ertragens verknüpft. Derartige Emotionen drücken einen bildlich förmlich herunter. Die damit verbundene Körperhaltung erschwert einem sogar das Atmen. Daher vermute ich, dass so wenig Klavierspieler vorspielen wollen. Nicht weil der Vortrag vor Unbekannten Stress bereitet, sondern da man über die Sprache der Musik dem Gegenüber zwangsläufig einen eher tristen Einblick in sein Innenleben gewähren würde. Hätte einen der Prozess des Übens, nein, nennen wir es einmal das Spiel mit der Musik mit einem Füllhorn an positiven Empfindungen wie Freude, Spaß und Begeisterung aufgeladen, dann würde man sich dem Zuhörer über die Musik gerne als eine vor Freude strahlende, begeisterte Person offenbaren! Dabei denke ich an die Ableitung des deutschen Wortes Person aus dem Lateinischen von per-sonare, das sinngemäß vom Klang durchdrungen oder durchtönend bedeutet. Das heißt: Meine mit positiven Begleiterfahrungen aufgeladene Musik würde mich selbst bei meinem Vortrag derart durchdringen, dass sich meine Persönlichkeit in der Interpretation bzw. Improvisation entsprechend entfalten kann. Die so vorgetragene Musik geht meinem Publikum nicht nur unter die Haut, sondern es bewirkt, dass über die Musik die Magie einer Verbindung entsteht. Das Gesetz der Quantenphysik, Alles ist mit allem verbunden, wird in dem Raum unseres musikalischen Vortrags real. Wir sind entspannt und begeistert zugleich. Das sind typische Merkmale der Situation des Embryos:

  • Wir fühlen uns über die Musik ganzheitlich verbunden. Das heißt, unsere Ursehnsucht findet Erfüllung. Uns durchströmt ein selten erlebtes Glücksgefühl.
  • Wir werden in unserem musikalischen Vortrag vom Flow getragen. Wir erleben die faszinierende Leichtigkeit unseres Tuns.
  • Wir sind über die Zweckfreiheit des Spiels der Musik geschützt, und das heißt, Entwicklung kann frei von Druck gelingen.
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In diesem genau genommen erwünschten Fall der positiven Selbstdarstellung im Rahmen eines Klavier-Vorspiels würde sich der auf den ersten Blick negative Dis-Stress des Vortrags vor anderen ganz von selbst in positiven Eu-Stress umwandeln, der dazu beiträgt, meine Leistung zu optimieren. Aus der Sorge vor der Offenbarung meines Innenlebens würde so die Lust auf ganzheitliche Verbundenheit über die Musik!

Es ist unschwer zu erkennen, das man gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlägt, wenn man das monotone Üben mittels Variation hinsichtlich seines Charakters als Arbeit entschärft. Gelingt es, die Inhalte abwechslungsreich und spielerisch sowie im Idealfall ganzheitlich zu vermitteln, indem man zum Beispiel von technischen anspruchsvollen Sequenzen eine in der Komplexität stark reduzierte Version zur Verfügung stellt, so werden diese Inhalte vielfältiger vernetzt und gleichzeitig mit positiven Emotionen aufgeladen. Auch wenn ich nur für mich alleine spiele, werden über die eingeübte Musik die dabei erlebten und gespeicherten Emotionen aktiviert und als so genannte Somatische Marker spürbar. Durch die Variation zum Beispiel des Klangs sammeln wir erste Erfahrungen in der Interpretation des Stücks. Das ist genau genommen eine sehr einfache Methode, da wir ja nur den Klang ändern und die Abwandlung lediglich eines Faktors zu Anpassungen in unserem Spiel führt. Diese Anpassungen konkret unserer Spielweise im Sinne einer Interpretation geschehen quasi automatisch, nämlich auf der emotionalen Ebene, die wir Musikalität nennen, mit der wir das Musikgefühl ähnlich dem Sprachgefühl meinen. Wie wir bereits wissen, beinhaltet das Sprachgefühl das intuitive Empfinden für die richtige Grammatik der Sprache, ohne dass wir darüber bewusst verfügen müssen. Das ist die Leistung unserer so genannten Muttersprache, die wir relativ perfekt beherrschen, ohne umfassend über deren Grammatikregeln dozieren zu können. Mit dem positiven Feedback dieser einfachen Erfahrung einer Interpretation werden wir mutiger und beginnen, bekannte Stücke zu improvisieren und das heißt, wir verbessern sie aus unserer Sicht. Oder anders formuliert: Wir spielen musikalische Themen zu unserer Befindlichkeit passend mehr oder weniger vom Original abgewandelt. Dieser Vorgang wird sich automatisch einstellen, wenn wir nämlich Spielräume geöffnet bekommen. Haben wir einen Ermutiger in der Rolle als Piano-Coach an unserer Seite, so werden wir im nächsten Schritt nach der Musik in uns suchen, wenn wir zum Beispiel nach Klängen und Ton-Kombinationen forschen, die unsere jeweilige Befindlichkeit musikalisch am besten spiegeln. Das sind die ersten Schritte zur Komposition. Sie haben es längst gemerkt: Der von mir hier vorgeschlagene Weg und die hier vorgestellten Modelle für bekannte Begriffe, stellen Sie und somit den Menschen ins Zentrum unserer Beschäftigung mit der Musik.

Die Veränderung ist bereits unterwegs. Und sie betrifft auch die Klassische Musik. Die Stars der Modernen Klassik sind zum Beispiel Ludovico Einaudi. Er ist ein Aussteiger aus einer hochrangigen Karriere als Professor der Musik. Einaudi ist zwar nicht der Erfinder von Klassik light, aber einer der prominentesten Stellvertreter. Die Neuro-Klassik ist (noch) keine neue Form der klassischen Musik, sondern hier wird auf der Basis der Hirnforschung der Frage nachgegangen, wie Musik in uns wirkt. Dahinter steht aktuell ein höherer Unterhaltungswert der Wissensvermittlung. Doch langfristig könnte sich das neue Wissen auch unmittelbar auf die Musik auswirken. Kopieren, überarbeiten, variieren hat es schon immer gegeben. Doch nun hat man dafür einen neuen Namen: Re-Composing, nennt man die Neubearbeitung bekannter Werke. Bezieht man die Überarbeitung vor allem auf den neuen Vorgang des Abmischens von Inhalten so nennt man das einen Remix bereits geschriebener Kompositionen. Wie neu das alles ist, zeigt sich zum Beispiel am Mangel schon bestehender Informationsseiten zum Thema Re-Composing. Daher finden Sie hier ein Einführungsvideo über Antonio Vivaldis Die vier Jahreszeiten in der Version Recomposed by Max Richter. Der Komponist Max Richter ist ein Spezialist für Filmmusik sowie für neue Projekte. Achtung, der folgende Links führt Sie zu Youtube. Dort können Sie deren Bestimmungen akzeptieren oder ablehnen. Klicken Sie einfach auf Alle ablehnen.

Verlinktes Bild zu dem Video Vierjahreszeiten neu komponiert von Max Richter

Hier geht es zur Vollversion von Vivaldis Die vier Jahreszeiten recomposed by Max Richter.

Remixe und überarbeitete Kompositionen sind komplexe Aufgaben, denen sich vorzugsweise Komponisten von Filmmusik widmen. Diese Komponisten arbeiten heute alle mit Digital Audio Workstations und darin mit umfangreichen Bibliotheken von Klangmustern akustischer Instrumente hier beispielhaft vorgestellt die exklusive Vienna Symphonic Library. Und natürlich gehören Synthesizer ebenso zum Handwerkszeug moderner Komponisten. Die Ergebnisse bereichern die Musikwelt. Denn sie animieren uns zum Beispiel zum Vergleich zwischen Original und der Variante des Re-Composings. Das heißt, Sie brauchen nicht zu glauben, dass Sie auf den musikalisch neuen Wegen alleine unterwegs wären. Nein, hier sind schon viele zugange und Ihnen ein paar Schritte voraus. Man kann also zuerst einmal wieder die bereits von anderen vollzogenen Schritte für sich selbst einfach nachvollziehen, bevor man eigene Schritte wagt. Insgesamt ist gerade bei der so genannten Klassischen Musik das Potenzial für Improvisationen mittels neuer Musikwerkzeuge riesig. Denn ein im Niedergang befindlicher Markt sowohl der Klassik als auch des Pianofortes könnten reanimiert werden, wenn den zeitgemäßen Möglichkeiten Raum gegeben wird. Musiker würden ihre bescheidene Rolle des Reproduktions-Künstlers verlassen und aufsteigen zum Meister der zeitgemäßen Improvisation. Aufgrund der Verwendung nunmehr vielfältiger Sounds im Kontext der Komposition aus der jeweiligen Befindlichkeit des bearbeitenden Musikers bzw. Komponisten entstehen individualisierte Aufzeichnungen längst bekannter Werke. Jede dieser Aufzeichnungen wird ein Unikat sein. Diese würden uns zum vielfältigen Vergleichen einladen, denn über den Vergleich mit dem ursprünglichen Fassung hinaus könnte man nun zwischen unzähligen Improvisationen Parallelen ziehen und sich über die neu gewonnenen Einsichten zu eigenen Schöpfungen anregen lassen. Genauso würde jedes Konzert zu einem Unikat, wenn wir darin Musiker erleben, die nicht mehr bei der Reproduktion mit geringsten Freiräumen der Interpretation auskommen müssen, sondern Musik als ein komplettes Erlebnis von musikalischer Gegenwart zelebrieren. Es ist nun kein Kunststück mehr, vorherzusagen, dass selbst der tot geglaubte Markt des Akustikpianos dank dem Hybrid-Piano zu neuem Leben erwachen wird. Der deutsche Pianist und Komponist Franz Liszt erlebte den Teufelsgeiger Niccolò Paganini 1832 im Konzert. Er war von dem Erlebnis derart beeindruckt, dass er sich anschließend zu einem Klavier-Virtuosen verwandelte. So lautet die verkürzte Version der persönlichen Entwicklung von Franz Liszt. Doch tatsächlich besuchte er davor Vorlesungen über die Philosophie der Musik von François-Joseph Fétis, der dazu aufrief, ...alle Künstler mögen sich mit ihrer Kunst künftig für gesellschaftsreformerische Ideale einsetzen und bessere Musik machen als Beethoven und Rossini... Das ist aber nichts anderes als die Aufforderung, Musik in die Zeit zu holen, und die Kraft der Musik für Veränderungen zu nutzen! Welches Erlebnis brauchen unsere klassischen Pianisten, um Ihrerseits den Quantensprung des Empowerments zu erfahren, der sie dauerhaft als Star gleichwertig zu den alten Meistern am Firmament unserer Musikwelt verankern wird?

Musik spielen
Eine letzte Frage:

Worum geht es eigentlich beim SPIELEN? Für Kinder ist das natürlich in Ordnung. Aber warum sollen wir Erwachsenen uns aufs Spielen einlassen? Der Biologe Humberto Maturana hat gemeinsam mit Gerda Verden-Zöller ein wunderbares Buch mit dem Titel Liebe und Spiel geschrieben, das es nur noch gebraucht und oftmals zu überhöhten Preisen gibt. Der Untertitel des Buchs lautet Die vergessenen Grundlagen des Lebens. Meiner Ansicht nach bestimmen Liebe und Spiel wesentlich die Qualität unseres Lebens, da wir uns in beiden Fällen in Hochstimmung erleben. Stimmung ist DAS Qualitätskriterium für unser Leben. Nicht nur die musikalische Stimmung ist wichtig, sondern ganz besonders unsere Gestimmtheit. Sind wir zum Beispiel verliebt, ist jede Sekunde Gold wert. Sind wir aber schlecht gelaunt, dann...

Erst wenn wir uns den Freiraum zurückerobert haben, als Erwachsene ganz selbstverständlich spielen zu dürfen, werden wir das Potenzial des Spiels entdecken, das kein sportlicher Wettbewerb, sondern ein lustvoller, da emotionaler Austausch ist. Natürlich könnten wir uns ein für die Welt sinnvolles Computerspiel auswählen, um in diese ebenso bereichernde Spielwelt einzutauchen. Stattdessen schlage ich die Musik als Spiel vor. Und hier eben nicht das reproduzierende Musizieren fremder Werke, sondern das verspielte Musizieren wie ein Experimentieren und Explorieren auf dem Boden der zeitgemäßen Möglichkeiten.

Jede heranwachsende Generation muss im Umgang mit den zeitgemäßen Medien qualifiziert werden. Diesbezüglich erleben wir aktuell den Sonderfall, dass nicht die Heranwachsenden, sondern die bereits Erwachsenen aktive Unterstützung im Umgang mit den neuen Medien benötigen. Genau an dieser Stelle könnte die Musik eine sinnvolle Aufgabe übernehmen, um nicht nur die Kids, sondern auch uns Ältere verbunden mit freudvollem Entdecken quasi nebenbei mit Medienkompetenz auszustatten. Das ist die Herausforderung an eine Musikpädagogik, deren Leitsatz lautet: Erfolg ermöglichen! Das Problem dabei ist nicht nur die ziemlich radikale Änderung der Einstellung und Herangehensweise an das Musizieren, sondern dass unsere Musiklehrer mit dieser neuen Welt selbst noch keine Erfahrung haben, weder mit der Musik als einem Spiel, noch mit den neuen Möglichkeiten der digitalen Musikwelt. Am besten machen wir uns also gemeinsam mit unseren Klavierpädagogen auf den Weg, um den neuen Spielraum zu erkunden. Das Spiel beginnt bereits mit der Entscheidung, sich auf diesen neuen Weg einlassen zu wollen. Für unsere gemeinsame Reise in die neue Welt der Musik gilt: Der Weg ist das Ziel!

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