Die Klavierstimmerei Praeludio wurde zu einem Klavier gerufen, das längere Zeit nicht mehr gespielt und gestimmt worden ist. Der Termin steht, Praeludio ist pünktlich, das Klavier wird gestimmt, das Ergebnis ist gut. Im Gespräch erkundigt sich die Klavierbesitzerin nach dem Zustand des Klaviers: Wie war es zu stimmen?
Nun muss ich etwas ausholen. Es geht um ein Kleinklavier. Das ist ein Thema für sich. Mit dem Kleinklavier setzte im Klavierbau der Rückgang der Qualität ein. Wie konnte das geschehen? Warum hat man nicht rechtzeitig gegengesteuert? Lassen Sie mich die Entwicklung im Klavierbau zum so genannten modernen Kleinklavier in einen größeren Zusammenhang, nämlich in Bezug zur Wirtschaft und deren Paradigmen stellen. Denn nur so lässt sich erklären, warum die Verantwortlichen das dahinter stehende Konzept übernommen haben:
Kleinklaviere sind die Sparbüchse der Klavierbauer. Doch diese Sparbüchse hat nicht nur oben einen Schlitz, in den man etwas hineinstecken kann, sondern sie hat unten ein riesiges Loch. Das heißt, im Vergleich zu den alten Pianos, die 130 bis 150 cm hoch waren, hat man schlicht Material gespart, wenn das Kleinklavier heute nur noch 110 cm misst, oder sogar noch niedriger ist. Der Auslöser für diese Entwicklung war der Gedanke, den Gewinn zu optimieren, indem man (zuerst) beim Material Kosten einspart.
Mit den im Kleinklavier zwangsläufig nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehenden Platzverhältnissen verbunden war natürlich auch ein Verlust der Qualität der Spielart. Hebel sind in dem Spielwerk der Klaviermechanik der Schlüssel zur Optimierung des Ausdrucks, also sowohl der Lautstärke als auch des Klangs. Kürzere Hebel kann man durch nichts kompensieren. Im nächsten Schritt verloren die Hammerfilze an Qualität, da sie nicht mehr manuell gewalkt sondern maschinell gepresst worden sind. Das bedeutete den Verlust des einzigen Klang-Gestaltungs-Kriteriums in Verbindung mit der Anschlagsdynamik, das den Klavierspielern überhaupt zur Verfügung stand. Das heißt, man hat die Menschen, die bestrebt sind, über die Musik ihre momentane Befindlichkeit auszudrücken, um diese wiederum positiv beeinflussen zu können, in den Möglichkeiten des musikalischen Ausdrucks und somit letztlich auch in den Einflussmöglichkeiten ihrer Befindlichkeit eingeschränkt. Das alles haben die Vertreter der Klavierindustrie sehenden Auges durchgeführt. Man hat immer wieder Gewinn gegenüber Verlust aufgewogen. Nicht allzu laut und auch nicht unbedingt öffentlich. Das zeigt, dass die Klavierhersteller schon lange den Kontakt zu ihren Kunden und somit auch zu ihrem Produkt verloren haben, wenn sie immer nur ihren Gewinn und nie den immensen Verlust für die Klavierspieler als relevant bewertet haben. Denn in der Summe der veränderten Maßnahmen geht es um ein rationales Attentat auf die Gefühlswelt und Sinnlichkeit der musiksensiblen Klavierspieler und Freunde der Klaviermusik. Bislang beschränkte ich mich an der Stelle auf die Aussage, dass das Kleinklavier das Ergebnis eines völlig phantasielosen und kundenfernen Marketings ist. An der Stelle erlaube ich mir, diese Aussage inhaltlich zu konkretisieren:
Zahlreiche Unternehmer und Manager sind bis heute die Erfüllungsgehilfen eines geradezu lebensfeindlichen Konzepts. Denn das Industriezeitalters hat zwar mehr Wohlstand gebracht, aber gleichzeitig weltweit die Grundlagen des Lebens zerstört oder massiv bedroht. Spätestens seit 1 Milliarde Chinesen und 1 Milliarde Inder den Anspruch auf die gleiche Lebensqualität wie die Menschen im Westen erheben, ist uns klar, dass der Planet unsere bisherige Lebensweise nicht aushalten wird. Doch die bereits laufende Entwicklung wird sich nicht aufhalten lassen, da darin ja immenses Wachstumspotenzial für die alte Industrie steckt. Aus diesem Grund brauchen wir aktuell mittels des Elektroantriebs im Auto zumindest einen schnellen Wandel im Umgang mit der Energie und deren Abfallprodukten. Denn das scheint eindeutig zu sein, dass wir bezüglich des Klimas nur noch 3 Jahre Spielraum haben - falls wir überhaupt noch Spielraum haben. Konkret ist also die Weigerung der deutschen Autobauer, konsequent und frühzeitig auf den Elektroantrieb umzustellen, sowie auch noch zuerst mit Lügen und dann mit Trotz am Dieselmotor festhalten zu wollen, eine Katastrophe, die meine Aussage am Anfang dieses Absatzes beweist:
Zahlreiche Unternehmer und Manager sind bis heute die Erfüllungsgehilfen eines geradezu lebensfeindlichen Konzepts.
Das Paradigma der Gewinnoptimierung durch immer billigere Produktion hat dazu geführt, dass man nach den Einsparungen bei der Qualität im nächsten Schritt in vielen Industrien die Arbeitsplätze aus Hochlohnländern in Billiglohnländer verlagert hat. Dort werden bereits seit einigen Jahren die Arbeitsplätze und somit die Lebensgrundlage der Menschen durch die Automatisierung und Robotik nicht nur bedroht, sondern dauerhaft vernichtet. Das sollte man anders formulieren. Denn es geht ja um Fortschritt. Aber das Tempo der Entwicklung geht auf Kosten der Lebensgrundlage der Menschen. Fortschritt kommt bei den Betroffenen nur dann positiv an, wenn man sie auf diesem Weg mitnimmt und aufzeigt, wie es für sie anschließend weitergehen kann. Wie man die Bürger in Entscheidungen integrieren könnte, zeigte am 16.10.2017 Die Story im Ersten mit dem Thema Der Europacheck. Darin wurde das erfolgreiche Konzept der Bürgerversammlungen in Irland vorgestellt (als Video verfügbar bis 16.10.2018).
Dank der so genannten Künstlichen Intelligenz in Kombination mit der Automatisierung verändern sich übrigens nicht nur die Arbeitsplätze in fernen Billiglohnländern, sondern auch unsere bisherigen Tätigkeitsfelder im Westen. Die Industrie sowie unsere Volksvertreter sind sich bezüglich der Lösung für die möglich werdende Massenarbeitslosigkeit schon einig: Aus Steuereinnahmen wird das Bürgergeld genannte Grundeinkommen generiert. Doch jedem müsste klar sein, dass es mehr als fraglich ist, ob man die Menschen massenweise dazu bringt, dauerhaft auf den Modus eines bezahlten Urlaubs mit gegebenenfalls geringfügiger Beschäftigung umzustellen. Im übrigen muss die Frage erlaubt sein, wo denn das Geld für den Konsum all jener nun so kostengünstig produzierten Güter herkommen soll. Der sozialkritische Zukunftsforscher Jeremy Rifkin hat diese Frage in seinem letzten Buch Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft (erschienen April 2016) insofern mit einem Augenzwinkern problemlösend beantwortet, als die Produktionskosten logischerweise gegen Null gehen, weshalb in Zukunft alle Güter kostenlos sein werden, wodurch gleichzeitig das Ende des Kapitalismus eingeleitet wird. Das Konzept der Gewinnoptimierung durch Einsparung an den Produktionskosten ist nicht aufgegangen. Trotzdem verfolgen wir es mit den neuen Technologien in aller Konsequenz weiter, als gäbe es keinerlei Alternativen. Das nenne ich phantasielos. Wir brauchen neue Paradigmen. Wir wollen eine lebensfreundliche Welt. Erste Informationen darüber, wie so eine Neue Welt aussehen könnte, liefert der Wirtschaftsprofessor und Autor Christian Scholz in seinem Buch Schizo-Wirtschaft. Auf den Klavierbau bezogen finden Sie geradezu massenweise weiterführende Hinweise auf meinen Homepages zum Klavierspiel sowie zum Instrument in der zeitgemäßen Fortführung als Hybrid-Piano.
Die Klavierbauer, die gerade noch einen Bestseller und Selbstläufer im Portfolio hatten, haben sich an der immer geringeren Qualität zu Tode gespart. In der Folge ging ein Klavierhersteller nach dem anderen in die Insolvenz, da wie eingangs schon erwähnt die Sparbüchse unten ein riesiges Loch hat. Schließlich geht es bei der Musik um Emotionen. Wer musiziert, will seinen Gefühlen über die Sprache der Musik Ausdruck verleihen. Aufgrund der ausgezeichneten und umfangreichen Bedienoberfläche sowie des besonderen, da grundtönigen Klangmusters haben sich außergewöhnlich viele Leute für das Klavier entschieden. Wenn man diese Menschen in Ihren emotionalen Ausdrucksmöglichkeiten einschränkt und die therapierende Wirkung von Musik verhindert, indem man Qualität abbaut, begeht man als Produzent genau genommen Selbstmord.
Christian Scholz ist den Lesern meiner Blogs bereits als Co-Author bekannt. Denn in meinem Artikel Lebensweltgestalter habe ich Ihnen das Buch Hochleistung braucht Dissonanz (Untertitel: Was Teams vom 5-Sekunden-Modell der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen lernen können) ans Herz gelegt. Darin beschreibt Professor Scholz das gemeinsam mit Albert Schmitt entwickelte Erfolgskonzept der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, die sich weitgehend ohne die im Segment der Klassischen Musik üblichen Subventionen vermarkten.
Wir haben es mit einem Kleinklavier der Marke Luxor zu tun. Das ist eine Kunstmarke und somit noch nichts besonderes, denn die meisten Markennamen sind künstlich konstruiert. Luxor klingt gut, nämlich mehrwertig. Da steckt Luxus drin. Wo wurde es gebaut? Möglicherweise in Finnland oder Schweden. Heute kommen diese Pianos so gut wie alle aus China. Ein Foto vom Innenleben lässt zwar keinen Hersteller erkennen und zeigt nicht einmal den Markennamen, aber dafür liefert es den Hinweis auf den Mechanikhersteller Langer. Das war von 1882 bis 1929 ein Hersteller von Klaviermechaniken in Berlin. Seit 1999 wurde aus Langer & Co Mechaniken die neue Firma Langer Piano Actions, Nottingham.
Gerne will ich jetzt die Frage konkret beantworten: Wie gut ist das Kleinklavier namens Luxor zu stimmen? Dieses Kleinklavier ist sehr schwer zu stimmen. Ungünstige Bedingungen führen in der Regel beim Stimmer während der 1-2 Stunden dauernden Klavierstimmung nicht nur zur Verunsicherung, sondern häufig auch zur Aufgabe des Bemühens um das bestmögliche Ergebnis.
Woraus ergeben sich die Schwierigkeiten beim Stimmen? Die einzelnen Saiten sind in sich unrein. Da aber ein Klavierton aus mehreren Saiten besteht, ist es so gut wie unmöglich, einen sauberen Ton zu stimmen. Hat der einzelne Ton Fehler, so hat automatisch auch das Intervall Fehler.
Welches Ergebnis ist bei einem solchen Instrument zu erreichen? Darin steckt eine ganz wesentliche Besonderheiten der Klavierstimmerei Praeludio. Wesentlich meint, dass es das Wesen der Unternehmens-Philosophie ausmacht: Obwohl mir schon beim ersten Augenschein das ganze Dilemma der Klavierkonstruktion und -produktion klar ist, bemühe ich mich trotzdem um das bestmögliche Ergebnis. In den 10 Jahren meiner Tätigkeit in einem Klavierlager motivierte ich mich selbst mit der Frage: Wie gut kann man ein Klavier überhaupt stimmen? Das heißt, ich konzentrierte mich 10 Jahre lang darauf, um herauszufinden, wie gut man Pianos überhaupt stimmen kann, um mich gleichzeitig darin regelrecht zu trainieren, insgesamt annähernd 20.000 Klaviere immer wieder so gut wie möglich zu stimmen. Dahingehend hat sich logischerweise meine neue Stimmtechnik, die Hybrid-Stimmtechnik primaTEK entwickelt, um eben eine höchstmögliche Präzision sowie ganzheitliche, im Idealfall überraschende Ergebnisse erreichen zu können.
Erst nach meiner Zeit in dem Klavierlager habe ich den überregionalen Klavierservice Praeludio gegründet. Damit im Zusammenhang veränderte sich mein Tätigkeitsfeld. Hatte ich es vorher ausschließlich mit fabrikneuen Instrumenten zu tun, besteht die Herausforderung nun darin, das Spektrum von über 160 Jahren Klavierbau zu bewältigen. Das heißt, ich habe es mit den unterschiedlichsten Modellen sowie an einem Tag so gut wie nie mit vollständig gleichen Modellen zu tun. Daher habe ich für Klaviere mit offensichtlich suboptimalen Voraussetzungen die Frage der Selbstmotivation zum Erreichen der bestmöglichen Ergebnisse umformuliert: Wie gut kann man ein Klavier mit Handicap stimmen? Hören Sie selbst!
Luxor praeludio-gestimmt Zum Seitenanfang Zurück zur Themenübersicht