Lebensweltgestalter

Werte als Basis der Kundenorientierung

Der Markt heute

Wenn wir uns im folgenden gemeinsam Gedanken um die Werte der Klavierspieler machen, dann stellt dies eine Art Basisdiskussion dar. Die gefundenen Einsichten könnten die Grundlage für ein rundum harmonisches da auch zukunftsfähiges Marketing sein. Dieser hohe Anspruch kann aber nur verwirklicht werden, wenn ein derartiges Marketingkonzept darauf abzielt, unsere menschlichen Grundbedürfnisse zu erfüllen (Cluetrain-Manifest, Punkt 2). Jetzt kneifen Sie sich bestimmt in den Arm, um sicher zu gehen, dass Sie nicht gerade träumen. Damit unsere Überlegungen nicht in die Gefahr geraten, zu idealistisch zu werden, beschreiben wir kurz die von uns im Marketing häufig erlebte Realität und analysieren dann die aktuelle Situation des Klaviermarktes.

Grundsätzlich sträuben sich bei Ihnen möglicherweise die Nackenhaare, wenn Sie menschlich und Marketing in einem Satz vereint lesen. Das liegt daran, dass die Anbieter bislang zwar in großen Tönen von Kundenorientierung sprechen bzw. schreiben, aber nur selten diese Orientierung auch konsequent umsetzen. So beobachte ich das auch in meiner Branche der Klavierbauer, die ich in meiner Rolle als Klavierservice und somit als Teil des Ganzen kritisch begleite. Aufgrund meiner deutlich geäußerten Kritik bin ich im Jahr 2012 konsequenterweise aus der Organisation der Klavier-Hersteller, nämlich dem Bund Deutscher Klavierbauer e.V., ausgetreten.

Starten wir, indem wir gemeinsam den Klaviermarkt analysieren. Aus dem Jahr 2011 sind aufgrund einer von Bechstein veröffentlichten Statistik folgende Zahlen bekannt:

  • In Deutschland wurden in dem betreffenden Jahr 13.000 neue Klaviere verkauft.
  • Im gleichen Zeitraum wurden über 40.000 gebrauchte Klaviere gehandelt.
  • Darüber hinaus wurden rund 65.000 Digitalpianos verkauft.

Die beiden ersten Zahlen kann man nun interpretieren. Die Klavierhersteller unterstellen ihren Kunden, dass diese die Investition in die hohe Qualität und damit verbunden den hohen Preis für Made in Germany scheuen würden. Da ich jedoch wie bereits erwähnt im Klavierservice tätig bin, und mir den Luxus leiste, viel mit meinen Kunden zu sprechen, (Cluetrain-Manifest, Punkt 1) kann ich berichten, dass die Klavierspieler ihre Kaufentscheidungen sowohl rational als auch emotional sehr gut abwägen. Ein wesentliches Kriterium des Kaufs ist die Frage, ob das neue Klavier mit einem teilweise schon astronomischen Kaufpreis wenigstens genauso viel oder im besten Fall mehr kann als ein älteres, gebrauchtes Instrument. Da dies aber nicht der Fall ist, sondern die neuen Klaviere oftmals schlechter klingen, als wir es von älteren Pianos gewohnt sind, entscheiden sich mehr als dreimal so viele potenzielle Kunden für den Kauf eines gebrauchten Instruments. Wenn man wollte, könnte man diese Zahlen als ein deutliches Signal des Marktes verstehen. Doch stattdessen orientiert sich die Klavierindustrie zumindest teilweise neuerdings in die entgegengesetzte Richtung:

Megatrend Digitalisierung

In der Analyse und Interpretation der dritten Zahl der Statistik steckt großes Erkenntnispotenzial hinsichtlich der Orientierung innerhalb des Marktes als Ganzem. Denn es gibt verschiedene Marktteilnehmer, die gezielt zum Kauf eines Digitalpianos anstelle der Investition in ein Klavier raten. Der Hintergrund einer solchen Empfehlung ist die Tatsache, dass natürlich auch auf dem Musikmarkt das verfügbare Kapital begrenzt ist. Folglich erweitern zum einen die Klavierlehrer das mögliche Spektrum der Tasteninstrumente hin zum Digitalpiano, damit noch ausreichend Geld für den Unterricht übrig bleibt. Darüber hinaus empfehlen die Klavierhändler die Digital- und neuerdings die Hybrid-Pianos, da sie sich für diese Instrumente den Klavierservice sparen, den sie nämlich leisten müssen, damit sie das Kriterium eines Fachhändlers erfüllen. Dieses Kriterium will aber der Händler gar nicht erfüllen, sondern er muss diese Auflage der Klavierhersteller erfüllen, wenn er nämlich deren Produkte in seinem Geschäft vor Ort exklusiv anbieten möchte.

Exklusiv bedeutet im Sprachgebrauch des Klaviermarketings übrigens, dass der nächste Ort mit einem vergleichbaren Angebot im Idealfall relativ weit entfernt ist und Internethändler grundsätzlich ausgeschlossen werden, damit kein Preiswettbewerb unter den Händlern stattfinden kann. Anstatt sich also dem Internet als dem Medium der Zukunft zu stellen, hat man es als eine Störquelle des Marketings identifiziert und versucht es auszuschließen. Genau das heißt auch exklusiv, nämlich ausschließen, abweisen, hindern. Eine derartige Geschäftsstrategie ist aber schon mehr als Luxus, denn man spricht im zentraleuropäischen Klaviermarkt von einem so genannten gesättigten Markt. Man muss kein Betriebswirt sein, um zu erkennen, dass man auf einem gesättigten Markt niemanden auszuschließen braucht, sondern sich vielmehr Gedanken machen sollte, mit welchen Maßnahmen man einen nahezu unbeweglichen Markt aus seiner Erstarrung wecken kann. Dazu hilft vielleicht die Analyse, dass es die Klavierspieler als potenzielle Käufer immer noch gibt, wie die vergleichsweise enorm hohen Verkaufszahlen an gebrauchten Klavieren beweisen. Hilfreiche wäre auch die Einsicht, warum sich diese breite Käuferschicht vom Markt der neuen Pianos derart konsequent zurückgezogen hat, dass man aus Sicht der Industrie meint, der Markt sei schon tot. Einen Markt zu Grabe tragen, ist die Kapitulation gegenüber dem Marketing. Marketing wird aber definiert als Ausrichtung der Teilbereiche eines Unternehmens auf die Förderung der Absatzes durch Werbung u.a.. Warum kämpfen die Klavierhersteller nicht um uns Kunden? Nun der Hintergrund zu den mangelnden Bemühungen der Klavierindustrie liegt in der aktuellen globalen Entwicklung. Wir Kunden aus dem alten Europa haben starke Konkurrenz aus China bekommen. Allein in China geht man von einem noch offenen Klaviermarkt von 30 Millionen potenziellen Kunden aus. Das ist ein vergleichsweise einfach zu bedienender Markt, der einem förmlich zufällt. Denn die Asiaten kaufen einem mangels eigener Wohlklang-Kultur auch die heute schlechter klingenden Klaviere zu sehr hohen Preisen ab, wenn sie nur das Qualitätssiegel Made in Germany tragen.

Wieder zurück bei der Analyse der dritten Zahl aus der Verkaufsstatistik des Jahres 2011 kann man feststellen, dass sich viele Musiker unabhängig von Empfehlungen schlicht aufgrund eines Vergleichs der Möglichkeiten für ein Digitalpiano entscheiden. Und da die digitalen Tasteninstrumente anderes und davon eben mehr können und sich darüber hinaus nahtlos in die modernen Möglichkeiten der Musikproduktion und -bearbeitung integrieren, entscheiden sich entsprechend viele Käufer für diese Variante. Welche Schlussfolgerung zieht die deutsche Klavierindustrie daraus? Anstatt einer Qualitätsoffensive zu Gunsten des akustischen Musikinstruments zu starten, entscheiden sich die ersten Klavierhersteller aus Deutschland 2012 und somit über 20 Jahre nach Yamaha dafür, ähnliche Produkte anzubieten, wie sie der Konzern aus Japan längst erfolgreich vermarktet.

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Werte bewahren und gleichzeitig Innovationen ermöglichen

Marketing als Königsdisziplin

Die deutschen Klavierbauer hinken also der Entwicklung etwas hinterher. Kein Problem. Wenn wir erst etwas Fahrt aufgenommen haben, werden wir natürlich die Konkurrenz überholen. Moment mal. Hier geht es nicht um den Wettbewerb zwischen Ländern und auch nicht zwischen Marken. Es muss bei einem zukunftsfähigem Marketing um den Kunden und somit um den Menschen gehen! In dem Zusammenhang müssten also die Klavierhersteller ihre Kunden fragen, was diese über den neuen Trend der deutschen Klavierbauer zum Digitalpiano denken. Hat Sie schon jemand gefragt? Nein? Der Grund für die ausstehenden Frage liegt vermutlich darin, dass dieses Thema nicht einmal in der Klavierindustrie öffentlich diskutiert wird. Auch dafür gibt es gute Gründe. Einerseits müsste man eingestehen, dass wir nun die Japaner kopieren. Andererseits braucht man sich so nicht der Dikussion um die Auffassung stellen, dass der Klang eines natürlichen Klangkörpers einen komplett anderen Grad an Sinnlichkeit vermittelt, als dies elektronisch erzeugte Sinuswellen können. Aber genau diesen Glaubenssatz hat die Masse der Klavierspieler verinnerlicht.

Marketing wird zur Königsdisziplin, wenn es gelingt, die bereits vorhandenen Kunden nicht zu verlieren, und darüber hinaus neue Kunden zu gewinnen. Es geht um zwei Welten. Das ist zum einen die Welt des akustischen Klangs sowie zum anderen die neue Welt der digitalen Möglichkeiten. Diese beiden Welten muss man aus der Sicht der Anbieter miteinander versöhnen, sie idealerweise in einem Produkt vereinen. Aus Sicht des Marketings ist die Aufgabe eine Herausforderung, der eine auf den ersten Blick konservative Einstellung überhaupt nicht im Wege steht, wie ich nun begründen will.

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Klavierspiel als präventive Musiktherapie

Selbstharmonisierung

Selbstharmonisierung am Piano als Antwort auf Stress

Die Schnittstelle, über die es gelingt, diese beiden scheinbar gegensätzlichen Marketingziele miteinander zu vereinen, ist der Mensch. Betrachtet man die Werte und die dahinter stehenden Bedürfnisse des Menschen, dann versteht man nicht nur, wie man diese Bedürfnisse erfüllen kann, sondern man bekommt auch eine Vorstellung davon, wie man die unausgesprochenen Erwartungen übererfüllen kann. Was also sind unsere Werte in Verbindung mit der Musik? Oder fragen wir erst einmal danach, was denn Musik für uns eigentlich leistet?

Das Klavier entwickelte sich als Instrument gleichzeitig mit der Industrialisierung und somit vor allem im 19. Jahrhundert. Im Schlepptau der Industrialisierung kamen

  • die Fließbandarbeit,
  • die Fremdbestimmung der Arbeit sowie
  • extrem schlechte soziale Bedingungen.

Vor diesem Hintergrund entschloss sich z.B. ein Heinrich Engelhard Steinweg, 1850 nach USA auszuwandern, wo er 1853 als Henry Steinway die Firma Steinway & Sons gründete. Mit den genannten industriellen Entwicklungen erhöhte sich in Deutschland die Unsicherheit, es entstanden soziale Spannungen, und erstmals kam Lärm aller möglichen neuen Maschinen als ein die Lebensqualität beeinflussender Umweltfaktor auf. Damit verbunden steigerte sich für die Menschen im Kampf um das tägliche Überleben der Stress, der sich dann sogar in Deutschland in einer Revolution entlud, als es 1846 zu einer Missernte kam.

Um das hohe Maß an Stress bewältigen zu können, entdeckten die Menschen für sich die neu entstehenden Möglichkeiten des Musizierens. Denn auch das war eine Folge der Industrialisierung, dass zumindest die bürgerlichen Schichten Wohlstand und Zeit zum Musizieren bekamen. In dem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass sich das Hammerklavier 1826 zum Pianoforte entwickelte, als nämlich Henri Pape mit den befilzten Hammerköpfen erst den uns heute bekannten Pianoklang ermöglichte, den wir als Wohlklang bewerten. Dieses damals völlig neue Klangmuster bewirkt zu einem überraschend hohen Grad die ersehnte Harmonisierung und war ein wesentlicher Faktor dafür, dass das Pianoforte ein Bestseller wurde.

Doch wie beim Sport, der einst dazu diente, um zur Arbeit einen Ausgleich zu schaffen, um dann im Leistungssport das Gegenteil von Ausgleich zu erzeugen, kann man in der Musik und insbesondere beim Klavierspiel eine ähnliche Entwicklung beobachten. Kaum ein Lebensbereich kann sich dem gesellschaftlich verordneten Glauben an den wenn auch nicht innerlich glücklich so doch zumindest äußerlich erfolgreich machenden Wettbewerb mit dem damit verbundenen Konkurrenzdenken entziehen. Dabei würden wir doch gerade in der Musik das Gegenteil, nämlich über das Zusammenspiel in der Gruppe bzw. beim Klavierspiel anschaulich durch die Koordination zwischen linker und rechter Hand die Kooperation als jene Alternative erfahren können, die uns Menschen bereits in der Evolution so erfolgreich hat werden lassen. Im Zusammenhang mit dem höchst aktuellen Thema der Nachhaltigkeit ist es auch die Kooperation, die erst Lösungen ermöglicht, während uns die Konkurrenz in den Abgrund führt. Leider ist es vor allem die so genannte klassische Musik, in der heute der Leistungsaspekt gefördert durch eine Vielzahl von Wettbewerben sowie dem hohen spieltechnischen Anspruch der Stilrichtung gegenüber dem grundsätzlich möglichen Potenzial der Entspannung überwiegt. Aber die Menschen suchen in der Musik vorrangig die Ent-Spannung sowie den Spaß und die Freude am Endprodukt, nämlich Melodien, Rhythmen und Harmonie.

Der damit verbundene Paradigmenwechsel beschäftigt aktuell auch den Klavierunterricht. Zahlreiche hoch motivierte Klavierlehrer aus dem ehemaligen Ostblock berichten völlig fassungslos, wie wenig fleißig und motiviert ihre deutschen Schüler sind. Möglicherweise passt die so genannte russische Schule und die damit eng verknüpfte klassische Musik nicht mehr in die Zeit, in der der Stresspegel aufgrund äußerst dynamischer globaler Entwicklungen wieder einmal übermenschlich hoch zu sein scheint. Im Sinne der Nachhaltigkeit gibt es die Betrachtung, dass ein System nur ein bestimmtes Maß an Schadstoffen aufnehmen und verarbeiten kann. So bezeichnet man eine natürliche Regenerationsfähigkeit. In unserem Fall ist das gesellschaftliche Mini-System der Mensch. Für uns Menschen erzeugen die aktuell geradezu explodierenden Probleme auf der Welt einen höheren Stresspegel, als wir ihn ohne gesundheitliche Schäden vertragen können. Die Stress-Verträglichkeit wird nämlich dadurch bestimmt, wie schnell und wie viel Stress wir abbauen können. Können wir den Stress nicht mehr ausreichend abbauen, wird er zum Dauerstress. Aber Dauerstress ist tödlich! In diesem Kontext muss man den Klaviermarkt betrachten.

Wie wichtig aber die harmonisierende Funktion des Klavierspiels ist, lässt sich konkret an den düsteren Vorhersagen für 2030 und somit unserer näheren Zukunft ablesen. Demnach soll die Quote der Depressionen nicht nur extrem ansteigen, sondern diese Krankheitsform soll zur Volkskrankheit Nummer 1 werden. Der überhohe Stress des andauernden globalen Wettbewerbs wird für unsere so genannten Gesundheitssysteme zu einem unlösbaren Problem. An dieser Stelle übersteigt das schlichte Klavierspiel den Rahmen der Selbstharmonisierung und wird zu einer äußerst effektiven Maßnahme der Musiktherapie, wenn es nämlich gelingt, Stress nicht nur vorbeugend abzubauen, sondern darüber hinaus Depressionen zu verhindern. Diese Selbsthilfe-Möglichkeit haben die Menschen für sich längst entdeckt. Aber den wirtschaftlichen Partnern der Klavierspieler, den Instrumentenherstellern ebenso wie dem Anbietern von Klavierunterricht scheint diese Tatsache bislang weitgehend verborgen geblieben zu sein, bzw. sie wissen nicht, wie sie diesen Bedarf für sich selbst wirtschaftlich einordnen und bedienen können. Wenn man diesen Aspekt schlichtweg übergeht, versäumt man eine Gelegenheit, sich nachhaltig und positiv in den Herzen seiner Klientel zu verankern. Eine solche Positionierung ist aber eine wichtige Aufgabe im Rahmen des Marketings. Gelegenheiten kommen und gehen an einem vorüber. Der Gelegenheit folgt die Reue (darüber, die Gelegenheit versäumt zu haben).

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Was bewegt Menschen?

Wohlklang

Erfüllung von Grundbedürfnissen

Der bekannte Neurobiologe Gerald Hüther beschreibt in seinen Vorträgen immer wieder anschaulich, dass wir Menschen mit den zueinander scheinbar gegensätzlichen Grundbedürfnissen nach Verbundenheit und eigener Entwicklung die Bühne des Lebens betreten. Aufgrund entsprechender vorgeburtlicher Erfahrungen kommen wir bereits mit diesen Erwartungen zur Welt. Das gerade geborene Kind ist also kein unbeschriebenes Blatt, sondern verfügt bereits über eine diesbezüglich gefestigte Einstellung. Betrachtet man diese beiden Bedürfnisse nach Verbundenheit und Entwicklung im Zusammenhang mit dem Musizieren, so ergeben sich interessante Argumente für das Klavierspiel:

  • Das Gefühl der Verbundenheit wird durch das Klangmuster des grundtönigen Klavierklangs ausgelöst. Denn dieses Klangmuster haben wir zum ersten Mal vorgeburtlich erlebt, als wir im Fruchtwasser der Mutter ungefähr zur 21. Woche der Schwangerschaft zu hören begannen. Mit diesem Höreindruck eines so genannten Tiefpass-gefilterten Klangs haben wir als Embryo den Kontext, also die damit verbundenen Empfindungen und Gefühle gespeichert. Diese Form des Lernens funktioniert bereits vorgeburtlich. Die elementaren Empfindungen der ganzheitlichen Verbundenheit des Embryos werden später beim Hören des nahezu identischen Klangmusters beim Klavierspiel sowie beim Hören von Klaviermusik immer wieder aktiviert. Derartige von dem Klangmuster ausgelösten Empfindungen und Gefühle nennt man einen Somatischen Marker. Das Konzept der Verknüpfung von Gefühlen mit bestimmten Erfahrungen hat erstmals der Neurowissenschaftler Antonio Damasio entdeckt. Der Wohlklang besitzt für die Klavierhersteller somit höchste Priorität, da dieses Klangmuster in uns das seltene und daher so wertvolle Wohlgefühl der ganzheitlichen Verbundenheit auslöst. Die Wirkung dieser Empfindung besteht in der Selbstharmonisierung. Das ist die einfachste Form des Stressabbaus. Aus Sicht des Marketigs besteht die Mindestleistung im Erfüllen der Grundbedürfnisse der Kunden. Daher ist das Unterlassen der Bemühungen um den guten Pianoklang eine Todsünde, da dem Anspruch der Kunden auf diese psychologisch und physiologisch enorm wichtige Basisleistung der Gelegenheit zur Selbstharmonisierung am Piano nicht nur nicht entsprochen wird, sondern der schlechtere brillante Klang die innere Anspannung erhöht und somit zusätzlich Stress erzeugt. Vor diesem Hintergrund werden die Zahlen der Verkaufsstatistik mit der massiven Neigung der Klavierspieler zum Kauf teilweise wesentlich älterer Pianos und damit verbunden die Ablehnung gegenüber dem Klang moderner Klaviere nachvollziehbar. Die Kaufverweigerung ist eine intelligente Selbstschutzmaßnahme gegenüber dem verfehlten Wohlfühl-Marketing der Klavierhersteller.
  • Zur Zeit von Johann Sebastian Bach hießen alle Tasteninstrumente Clavier. Damit bezog man sich auf den Wortursprung clavis (Schlüssel.) Die Tasten eröffnen uns Menschen im Wortsinn als Schlüssel nämlich ein vergleichsweise sensationelles Bedienfeld. Mittels der Tasten können wir unsere Fertigkeit, die 10 Finger isoliert sowie in beliebiger Kombination einzusetzen, vielfältigst ausspielen. Diese Leistung ist eine aus Sicht der Evolution herausragende Leistung. So geht man z.B. in der Entstehung der menschlichen Sprache davon aus, dass sich über die im Zusammenhang mit dem zunehmenden Werkzeuggebrauch immer geschickter werdenden Hände eine Art Zeichensprache entwickelt hat, in deren Folge unsere verbale Sprache entstanden ist. Fingerfertigkeit ebenso wie die Fähigkeit zur präzisen Steuerung unserer menschlichen Sprachwerkzeuge betreffen die so genannte Motorische Intelligenz. Diese fördert sowohl unsere geistige Intelligenz als auch die emotionale und somit die soziale Kompetenz, denn z.B. vor unserer im Allgemeinen hoch bewerteten geistigen Entwicklung steht immer ein körperlicher Prozess. Der unmittelbare Zusammenhang ist jedem bewusst, der aufmerksam die Entwicklung von Kleinkindern begleitet. Dass dieses Prinzip möglicherweise lebenslang gilt, wird bislang viel zu wenig beachtet, vermutlich da das lebenslange Lernen ein noch recht junges Thema ist. Dabei ist der motorische Aspekt des Klavierspiels aus der Sicht der potenziellen Interessenten mit ihrem bereits angesprochenen Grundbedürfnis nach Entwicklung einer der wesentlichen Schwerpunkte, wie man nämlich eine entsprechende Geschicklichkeit im Umgang mit den Klaviertasten entwickeln kann.

Mit dem soeben angesprochenen Grundbedürfnis nach Entwicklung eng verbunden ist der Wunsch, kreativ sein zu wollen, sowie etwas gestalten zu können. Gestalten ist meiner Ansicht nach die positive Umschreibung von Problemlösen. Die Fähigkeit, Probleme zu lösen, ist für das Überleben der nächsten Generationen elementar, da wir ihnen ein Übermaß an Problemen hinterlassen. Wer sich also zukunftstauglich positionieren will, der kommt um das Thema der Nachhaltigkeit nicht herum. Um sich aber als Gestalter erfolgreich üben zu können, sollte der Klavierunterricht zum flexiblen Umgang mit den musiksprachlichen Elementen befähigen. Beispielhaft leistet das die Musikpädagogik (Buch dazu: Die Pädagogik der Yamaha-Musikschulen, Marc Mönig, neu vergriffen, gebraucht selten erhältlich) der Yamaha-Musikschulen, die nämlich auf die übergeordneten Fähigkeiten des Improvisierens und Komponierens ausgerichtet ist.

Bevor ich jedoch als Gestalter kreativ werden kann, muss ich möglicherweise zuerst Stress abbauen. Das beschreibt sehr gut unsere aktuelle Situation. Aufgrund des hohen Stresspegels ist man schon zufrieden, wenn man sich überhaupt effektiv harmonisieren kann. Nur viel zu selten ist man derart ausgeruht, dass man darüber hinaus auf den Gedanken kommt, Einfluss auf seine unmittelbare Umgebung oder gar die ganze Welt nehmen zu wollen. Dabei könnte man grundsätzlich diskutieren, ob sich möglicherweise der Stress schon im Ansatz verringern lässt, wenn ich gleich mit dem Gestalten beginne, anstatt mich erst harmonisieren zu müssen. Dieser reizvolle Weg des Lebensweltgestalters scheint mir konstruktiver und produktiver sowie vor allem systemisch sinnvoller zu sein. Denn das wissen wir doch längst aus der Geschichte der Medizin, dass Gesundheit nicht wirklich funktionieren kann, wenn man die Symptome bekämpft. Effektive Medizin beginnt bei der Vorbeugung und nicht erst bei der Reparatur. Wieder einmal kommt der in diesem Zusammenhang passende Slogan von Yamaha, diesmal jedoch von einem Tochterunternehmen des japanischen Konzerns, nämlich der einstmals deutschen Softwarefirma Steinberg. Deren Motto lautet: Creativity first!

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Rechtzeitig Chancen erkennen und nutzen

Lernen trainieren

Wie lauten also die Aufgaben?

Zusammenfassung: Wir Menschen wollen zuerst einmal überleben. Bezüglich Stress bedeutet das, wir wollen gesund bleiben. Dafür sind wir Menschen gerne bereit, Einfluss auf unsere Welt zu nehmen. Neben bestimmten Fähigkeiten benötigen wir für die erfolgreiche Gestaltung unserer Lebenswelt bestimmte Werkzeuge. Die damit verbundenen Aufgaben lauten:

  • Das Piano der Zukunft ist eine Art Kreativspielplatz. Das heißt, an diesem Werkzeug zum Musizieren und Musik gestalten wird der Lernprozess durch entsprechende Feedback-Systeme begünstigt. Diesbezügliche Gedanken zu einer Optimierung des Lernens werden durch Autoren wie Fred Warnke und seinem Buch Der Takt des Gehirns (Untertitel: Das Lernen trainieren) unterstützt. Darin sowie auf seiner Homepage beschreibt er die Überlegenheit des menschlichen Gehirns gegenüber dem Computer aufgrund der Fähigkeit zur implizit parallelen anstelle der explizit seriellen Verarbeitung von Daten. In dem Zusammenhang erwähnt er eine besondere Fähigkeit der so genannten Spiegelneuronen, nämlich Daten aus zwei Sinnesmodalitäten miteinander verknüpfen zu können. Wichtig an einem solch zukunftsfähigen Musik-Werkzeug ist jedoch aus der Sicht des Kunden, dass der natürliche Klang Priorität behalten muss. Die Lösung zu dieser Aufgabe habe ich bereits im Rahmen einer eigenen Vision des Hybrid-Pianos vorgestellt, das die Grenzen der bereits bekannten Lösungen überschreitet und am Ende des visionären Gedankengangs zum i-Piano© wird.
  • Lernen bedeutet Veränderung. Veränderung erzeugt Stress. Insofern lohnen sich aus der Perspektive des Klavierunterrichts grundsätzliche Gedanken. Ein konstruktiver Ansatz besteht z.B. in der Ausrichtung des Lernens auf ein übergeordnetes Ziel wie das Gestalten. Wenn man z.B. den eigenen Gefühlen über eine selbst geschriebene im Sinne von selbst gestalteter Musik noch viel stärker Ausdruck verleihen kann als beim Nachspielen fremder Kompositionen, dann würde sich der gesamte Prozess des Musizierens in seiner positiven Wirkung auf die Gesamtpersönlichkeit wesentlich verstärken. Gleichzeitig bedeuten derartige Überlegungen, dass ein zeitgemäßer Unterricht mit diesen Zielstellungen die Musikbearbeitung integriert. Schon heute nutzen zahlreiche Klavierspieler zum Lernen die neuen Möglichkeiten des Internets konkret über anschaulich dargestellte Videobeispiele. Folgt man diesem Ansatz, könnte sich ein neues Modell des Unterrichtens ergeben, wie es Salman Khan in seinem Buch Die Khan-Academy (nur noch gebraucht erhätlich) vorschlägt, für dessen Videoprojekt er ausgezeichnet worden ist. Dabei geht es konkret darum, den Unterricht weitgehend in einen Selbstlernprozess umzubauen, wodurch der Lehrer verstärkt zum Lern-Begleiter wird. So könnte man den wichtigsten Teil des Lernens optimieren, nämlich das Üben und Vertiefen, bzw. man könnte über diesen Weg der Begleitung absichern, dass die Schüler das Wesentliche erfassen und beherrschen, nämlich das Lernen zu lernen.

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Gibt es im Bereich Klassik schon nachahmenswerte Marketing-Lösungen?

Leuchtturm

Mit gutem Beispiel vorangehen

Die Diskussion über die Werte der Klavierspieler als Schnittpunkt zu professionellen Angeboten betrifft den deutschen Markt. Eigentlich müsste man meinen, dass die Marktteilnehmer vor allem ihre wirtschaftlichen Chancen suchen und daher neuen Ideen gegenüber grundsätzlich offen sind. Aber die Einstellung der Deutschen ist gegenüber Innovationen erst einmal kritisch. Unser Land wird von einer Bundeskanzlerin geführt, für die 2013 das Internet Neuland ist. Es ist längst an der Zeit, dass sich etwas grundlegend ändert. Daher will ich in Deutschland mit dem Beispiel eines Leuchtturms aus Deutschland zur Gestaltung von weiteren Veränderungen ermutigen:

Es handelt sich um einen weiteren Gewinner des Vision Award - dem Nobelpreis für soziale Innovationen 2013, nämlich um die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen. Das ist ein außergewöhnliches Orchester vom Format Weltklasse. Der Erfolg des Orchesters beruht auf einer strategischen Neuausrichtung und dem damit verbundenen Umbau zum Unternehmen. Über die Struktur des Orchesters gibt es ein empfehlenswertes Buch mit dem Titel Hochleistung braucht Dissonanz (nur noch gebraucht erhältlich). Aus der Buchbeschreibung können Sie entnehmen, dass dieses Orchester imstande ist, unabhängig vom Dirigenten Hochleistung zu erbringen, und somit als Grundmuster für ein Hochleistungsteam taugt. Hier finden Sie das Inhaltsverzeichnis. Das bemerkenswerte Ziel dieses Buches ist es, Kultur und Wirtschaft als zwei scheinbar unvereinbare Welten miteinander in Einklang zu bringen.

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